
Der Seidenschwanz
Besucher aus dem hohen Norden!
Während viele Vögel Österreich über die kalte Jahreszeit verlassen, gibt es auch Arten, für die unsere heimischen Habitate ein ideales Winterquartier darstellen. Dies führt dazu, dass wir selten, aber doch auch Arten wie den Seidenschwanz bei uns beobachten können.
Es ist eine verbreitete Annahme, dass der Begriff des Zugvogels stets bedeutet, dass Vögel ausschließlich aus Österreich fortziehen. Auch wenn dies selbstverständlich nicht falsch ist, so vergessen viele, dass im Winter nicht nur Vögel fortziehen, sondern auch herziehen. Dies ist unter anderem am konkreten Beispiel des Seidenschwanzes zu erkennen. Sein Brutgebiet liegt hoch oben im Norden, wo teils arktische Bedingungen herrschen. Erreichen die Temperaturen bestimmte Extreme und das Nahrungsangebot wird zu knapp, ziehen Seidenschwänze in großen Scharen in Richtung Süden und treten so in unserem vergleichsweisen milden Winter plötzlich bei uns auf.
So sieht er aus, der Seidenschwanz
Der Seidenschwanz ist trotz einer relativ dezenten Grundfärbung aufgrund einiger Merkmale ein außergewöhnlich besonderer Singvogel. Seidenschwänze sind mit ihrer Körpergröße von rund 18 Zentimetern mit Staren zu vergleichen. Auch im Flug ähneln sich die beiden Arten. Eine Verwechslung ist dennoch aufgrund ihres Gefieders mehr als unwahrscheinlich. Ihr Körper ist größtenteils braun-beige gefärbt. Besondere Merkmale stellen etwa die schwarze Gesichtsmaske sowie der schwarze Kehlfleck dar. Zweiterer dient auch als Unterscheidungsmerkmal der sonst nur schwer auseinander zu haltenden Geschlechter.
Beim weiblichen Seidenschwanz ist der Fleck nämlich etwas unklarer begrenzt als beim Männchen. Beide Geschlechter tragen den für die Art typischen Kopfschmuck. Die ebenso rotbräunlich-beige Federhaube kann von den Vögeln je nach Gemütszustand aufgerichtet werden und dient somit nicht nur als rein optisches Merkmal, sondern auch der nonverbalen Kommunikation untereinander. Neben den bereits erwähnten Äußerlichkeiten ist es vor allem die Färbung der Flügel und Schwanzfedern, die dem Seidenschwanz eine durchaus exotische Note verleiht.
Beide sind grundsätzlich dunkel gefärbt, tragen jedoch leuchtend gelbe Akzente. Auf den Flügeln mischen sich sogar noch rote Farbtupfer hinzu. Nicht nur die Farben an sich, sondern auch deren Anordnung beziehungsweise Musterung machen den Seidenschwanz so zu einem außerordentlich besonderen Vogel.





Lebensraum & Lebensweise
Die meiste Zeit des Jahres bewohnt der Seidenschwanz den hohen Norden. Als Heimat gelten vor allem boreale Nadelwälder in der Taiga-Region. In Europa ist seine Heimat somit Skandinavien und Russland. Dichte Fichten-, Kiefer- oder Lärchenwälder stellen den bevorzugten Lebensraum dar. Dabei wird von den Bewohnern des hohen Nordens auch Wert auf die Nähe eines Gewässers in Form von Waldquellen, Flüssen aber auch Seen gelegt. Ungestörte und daher eher abgelegene Waldstücke sind besonders während der Brutzeit unverzichtbar.
Auch wenn über das Brutverhalten von Seidenschwänzen noch nicht allzu viel bekannt ist, weiß man, dass das Nest am liebsten gut geschützt in dichten Nadelbäumen oder Sträuchern weit entfernt vom Boden errichtet wird. Vom Weibchen werden rund vier bis sechs blaugrüne Eier gelegt. Die Brutdauer beträgt rund zwei Wochen und wird ausschließlich vom Weibchen vollzogen. Das Männchen ist während dieser Zeit für die Nahrungsbeschaffung zuständig. Sind die Nachkommen erst einmal geschlüpft, verbringen sie rund zwei weitere Wochen im Nest und werden von den Elterntieren versorgt. Während dieser Zeit besteht die Ernährung von Seidenschwänzen fast ausschließlich aus proteinreicher Nahrung in Form von Insekten. Den Rest des Jahres, insbesondere im Herbst und Winter, werden vor allem Früchte und Beeren verspeist.
Wird das Nahrungsangebot in der eigentlichen Heimat zu knapp, wird mit dem Zug in Richtung Süden begonnen. Da es sich beim Seidenschwanz um einen äußerst geselligen Vogel handelt, kann es vorkommen, dass von einem Tag auf den anderen plötzlich invasionsartig große Scharen von Seidenschwänzen gesichtet werden können. Durch ihr Auftreten in großer Zahl werden in kurzer Zeit oft ganze Sträucher leer gefressen. Dies ist nur wenig verblüffend, wenn man bedenkt, dass ein Seidenschwanz jeden Tag rund das Doppelte seines eigenen Körpergewichts vertilgt. Gefressen wird nicht nur äußerst schnell, sondern auch effizient. Auf Kauen wird nämlich gänzlich verzichtet. Beeren bis Kirschengröße werden so auf einen Happen verschlungen. Seidenschwänze bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten kann durchaus unterhaltsam sein, da sie in der Lage sind, sich überraschend geschickt und akrobatisch zwischen den Ästen umherzubewegen. Bei uns zu Lande stürzen sie sich bevorzugt auf die Früchte von Ebereschen, Schneeball, Weißdorn sowie diverser Ziersträucher. Auch hängen gebliebenes Obst wir gerne verspeist. Oftmals sind die Beeren und das Obst bereits überreif oder sogar ein wenig vergoren. Spannend ist hierbei, dass Seidenschwänze im Verhältnis zum Körper sowie anderen Vögeln eine große Leber besitzen. Diese hilft ihnen dabei, den erhöhten Alkoholgehalt ihrer Nahrung abzubauen. Zudem können sogar Beeren verdaut werden, welche für uns Menschen giftig wären.

Der Seidenschwanz
Lateinisch: Bombycilla garrulus
Familie: Seidenschwänze (Bombycillidae)
Größe: 18 cm
Gewicht: 56 – 73 g
Verbreitung: Skandinavien, Russland
Nahrung: Insekten, Beeren, Früchte
Lebensraum: dichte Nadelwälder
Zugverhalten: Teilzieher
Brutzeit: Mai – Juli
Status: nicht gefährdet
Der Seidenschwanz in Österreich
Seidenschwänze können bei uns eher selten und wenn überhaupt im Winter beobachtet werden. Ihr Auftreten in Österreich ist eigentlich immer abhängig von den Temperaturen sowie dem Nahrungsangebot in ihrer eigentlichen Heimat. Ihr Fressverhalten im Winter ist ein ideales Beispiel dafür, wie wichtig ein hohes und dichtes Vorkommen an früchtetragenden Gehölzen ist.
Möchte man die Wahrscheinlichkeit eines Seidenschwanzbesuchs im eigenen Garten fördern, sollte daher unbedingt wert auf eine naturnahe und früchtetragende Heckenbepflanzung geachtet werden. Wie immer gilt, dass durch derartige Maßnahmen niemals nur eine Art unterstützt wird, sondern selbstverständlich jede, die auf Nahrung in Form von Früchten und Beeren angewiesen ist.
Sollte man also nicht in das Vergnügen kommen, einen Seidenschwanz im Garten anzutreffen, wird man ganz bestimmt nicht leer ausgehen und durch den Besuch einer anderen Art belohnt werden.
Vogelportrait von Jakob Kuhn