Frisch geerntet: Kraut & Rüben

Wie die Jahreszeit wechselt auch der Speisezettel: Jetzt sind wieder die Wintergemüse-Sorten an der Reihe.

Aus der Geschichte

Das ursprünglich an den Mittelmeer- und Atlantikküsten vorkommende Weißkraut stammt wie die meisten Kohlarten vom Meerkohl ab und war in der Antike schon den Griechen und Römern bekannt. Seit jeher galt der Meerkohl als Heilmittel, weil man festgestellt hatte, dass Krautwickel bei Rheuma und Gicht Linderung brachten und Schwellungen und Prellungen abklingen ließen. Noch heute sind bis zu 40 Arten des Meerkohls zwischen Mitteleuropa und Westasien, an den Küsten Englands, Irlands und Frankreichs sowie in Nordafrika und auf den Kanarischen Inseln verbreitet. Die ursprüngliche Form hat allerdings keinen geschlossenen Kopf.

Hinweise zur Krautverwendung findet man bei den griechischen Philosophen Diogenes und Aristippos von Kyrene (435 bis 355 v.Chr.) sowie bei Eudemos von Rhodos (370 bis 300 v.Chr.), der über drei verschiedene Kohlarten berichtete.
Obwohl sich Forscher nach wie vor über die ersten Belege des Weißkrauts streiten, steht fest, dass dieses Gemüse bereits im 7. Jahrhundert zu „Kimchi“, einer südkoreanischen pikanten Form des Sauerkrauts verarbeitet wurde.
Abgesehen davon veränderten die Menschen in all den Jahrtausenden Wildpflanzen für ihren Nutzen. Diese in den jeweiligen Ursprungsländern entwickelten Kulturpflanzen verbreiteten sich mit den Entdeckungsreisen und den Transporten auf den Handelsstraßen. Erst im Laufe des Mittelalters dürften Züchtungen zur Unterscheidung zwischen dem ursprünglich grünen Kohl, dem Weißkohl (= Weißkraut) und roten Kohl (= Rotkraut) stattgefunden haben. Seit dem 12. Jahrhundert sind zum Beispiel erste Gemüsegärten in Tirol nachgewiesen, die der Eigenversorgung dienten. Aus den Tiroler Urbaren des 13. und 15. Jahrhunderts geht hervor, dass es eigene „Kraut- und Kabesgärten“ gab. In dieser Zeit züchteten Mönche in ihrem „Garten der Gesundheit“ diese Gemüsepflanzen weiter.

In der Folge erkannten Seefahrer den Wert des Krautes, da es auch in Form von Sauerkraut noch einen Großteil seines Vitamin- C-Gehalts aufweist, der gegen die Krankheit Skorbut schützte.
Hinweise in Aufzeichnungen von Klöstern und Herrschaften lassen erkennen, welche Mengen an Gemüse, vorwiegend Kraut, im oberösterreichischen Eferdinger Landl von den Bauern an die Grundherren abgeliefert wurden. Aufgrund der Nähe zu den Städten Linz und Wels entwickelte sich ein reger Handel, wobei bis in 20. Jahrhundert Gemüselieferungen mit Flößen auf Seitenarmen der Donau bis in die Landeshauptstadt transportiert wurden. Die Marktfahrer gingen zu Fuß zurück und die sogenannten Plätten wurden an Schiffe gebunden und von Pferden wieder stromaufwärts gezogen.

Eine spezielle Erwähnung verdient das Tullnerfelder Kraut, eine Lokalsorte besonderer Qualität, weil es eine sehr feine Struktur, eher flache, bis zu 20 Kilogramm schwere Krautköpfe hat, die in Größe und Form „Pflua-Radln“(Pflugräder) ähneln, wie die Tullnerfelder Leute sagen. Über Jahrhunderte war es überlebenswichtiger Bestandteil der bäuerlichen Ernährung: Es wurde wie 1832 in „Beiträge zur Landeskunde Österreichs unter der Enns“ erwähnt, in „ganzen Wagen und Schiffsladungen aus dem Umkreise mehrerer Meilen nach der Stadt gebracht“ sowie: „das Donaukraut …“ von „ … ganz Wien verzehrt und braucht eine ungeheuere Quantität …“. Nach der Eröffnung der Franz-Josefs-Bahn 1870 wurde das Tullnerfelder Kraut bis Böhmen exportiert. Als regionale Spezialitäten gelten z. B. Tullnerfelder Krautsuppe, Krautbuchteln, Krautwickel, Krautfleckerl, Krautstrudel, und Szegediner Gulasch.

Als sich im 19. Jahrhundert die Berufsgruppe der gewerblichen Gärtner konstituierte, wurde der Anbau perfektioniert und trug zur Nahversorgung bei. In dieser Zeit entstanden erste Saatgutfirmen. Bauern wie zum Beispiel jene in Tirols abgelegenen Tälern hatten jedoch bis in die 1960er Jahre keine Kaufmöglichkeit, sodass sie zur Erhaltung traditioneller Kulturarten wie von Kraut so viel anbauen mussten, dass es für die Ernährung und für den nächsten Anbau reichte.

Rüben

Die Rote Rübe (Beta vulgaris), teilweise auch „Rohne“ und in Deutschland „Rote Bete“ genannt, zählt zur Familie der Fuchsschwanzgewächse und ist mit Mangold, Zuckerrübe und Futterrübe verwandt. Wie diese ist sie eine Kulturform der Gemeinen Rübe (Beta vulgaris), die wahrscheinlich ursprünglich als Wilde Rübe (See-Mangold) in Nordafrika heimisch war und mit den Römern nach Mitteleuropa kam. Die rote Farbe wurde durch Weiterveredelung ab dem 19. Jahrhundert erreicht, inzwischen gibt es auch farblose bis hellgelbe Rüben, die Weiße Bete und die Goldrübe.

Die Rüben sind reich an Mineralstoffen und Vitaminen der B-Gruppe, Vitamin C und Folsäure. Ab Mai werden die runden Knollen geerntet und sind bei Aufbewahrung in Kühlräumen das ganze Jahr über erhältlich. Meist werden sie in Salzwasser gekocht als Salat zubereitet, gemischt mit anderem Gemüse oder Obst, kreative Hobbyköche bereiten daraus Gemüsebeilagen, z. B. mit verwandtem Wurzelgemüse, Eintöpfe wie z. B. den aus Osteuropa stammenden Borschtsch, ein farblich ansprechendes Risotto oder einen Aufstrich zu.

Einfach zubereitet schmeckt‘s am besten

Kraut ist nicht nur kalorienarm, es enthält auch Mineralstoffe und Vitamine, die die täglich Kost vitalstoffreich machen. Speziell der Gehalt an Ascorbigen, einer Vorstufe des Vitamin C, ist eine Besonderheit, da sie sich erst beim Kochen in Vitamin C umwandelt, während bei den anderen Gemüsesorten ein Teil dieses Vitamins beim Kochen verloren geht.

Weiß- und Rotkraut kommen von September bis April aus heimischem Anbau, werden aber auch aus Deutschland oder Polen importiert, weil unsere Selbstversorgung nur bei 90 Prozent liegt (lt. Statistik Austria, 2020). Betrachtet man die Grafik der zehn meist angebauten Gemüsearten in der EU, nehmen Kohl und Kraut mit leicht rückläufiger Anbaufläche den fünften Platz ein. Der runde Krautkopf mit enganliegenden Blättern, die mit einer leicht glänzenden Wachsschicht überzogen sind, entspricht der Qualitätsklasse I; sobald der Krautkopf außen Risse oder Verletzungen aufweist, handelt es sich um Qualitätsklasse II, die zu einem niedrigeren Preis angeboten wird.

Auch im eigenen Garten gedeiht das anpassungsfähige Weißkraut gut, wenn man ihm einen halbschattigen nährstoffreichen Boden mit lockerem bis leicht lehmigem Erdreich zuteilt. Wichtig ist die Sortenwahl, da frühe Sorten für den Frischverzehr geeignet und späte Sorten – kopfüber im kühlen Keller aufgehängt – lagerfähig sind.

Will man Kraut als Beilage oder Salat zubereiten, wäscht man den Krautkopf äußerlich ab, entfernt rundherum die erste Lage Blätter, schneidet ihn in Viertel und zuletzt den Strunk und nach Belieben auch die dicken Blattrippen heraus. Die Teile kann man gut fein schneiden, entweder in Salzwasser kochen oder in Fett andünsten und mit etwas Wasser aufgegossen weichkochen. Will man daraus Rouladen zubereiten, gibt man ihn im Ganzen kurz in kochendes Wasser, damit man die Blätter leichter ablösen kann. Auch als Zutat von im Backrohr gegartem Gemüse eignet sich Weißkraut gut.

Das Tullnerfelder Kraut ist nur saisonal als Stückkraut von Ende September bis Ende Dezember erhältlich, das davon hergestellte Sauerkraut von Mitte Oktober bis Ende Februar.
Sauerkraut liefert dem Körper zuträgliche Inhaltsstoffe für das Immunsystem, die Wundheilung sowie Milchsäurebakterien für den Darm und ist in der traditionellen österreichischen Küche das einzige pflanzliche Lebensmittel, das das sonst nur aus tierischen Lebensmitteln stammende Vitamin B12 enthält.

Rotkraut ist eine Kulturform von Kohl, das reich an Mineralstoffen, Ascorbinsäure sowie den für die Färbung verantwortlichen Anthocyanen (sekundären Pflanzenstoffen) ist. Abhängig von der Zubereitungsart verliert Rotkraut einen Teil der beinhalteten Vitamine. Deshalb wird es oft nur blanchiert als Salat zubereitet. Traditionell ist es als Gemüse mit Äpfeln bzw. unter Zugabe von Nelken, Zimt, Ingwer, Essig oder Wein und/ oder Zucker gekocht die Beilage für gebratene Gänse und Enten. Die Farbe der Blätter des Rotkrauts ist abhängig vom pH-Wert des Bodens und kann rötlich bis blau sein. Im 18. Jahrhundert hat sich im heutigen Norddeutschland der Begriff „Rotkohl“, in Mittel- und Südwestdeutschland der Name „Rotkraut“, im Osten Österreichs und in der Schweiz (auch Blau- bzw. Rotchabis) sowie in Süddeutschland und in Westösterreich der Begriff „Blaukraut“ eingebürgert.

Die befürchteten Blähungen nach dem Krautgenuss können durch kurzes Einfrieren der Krautköpfe und Würzung mit leicht zerstossenem Kümmel, Fenchel, Koriander und Wacholderbeeren vermindert werden. Mit Zutaten wie Zwiebel, Paradeisern, Rosenpaprika, Chili oder Most kann man schmackhafte Weißkrautgerichte herstellen.

von Brigitte Mramor


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