
Die Knospenformen unserer Obstgehölze
Obstgehölze können, wie bekannt, zu verschiedenen Zeitpunkten geschnitten werden. Der richtige Schnittzeitpunkt ist aber nicht nur von der Obstart sondern auch von der Entwicklungsphase, in der sie sich befinden, abhängig. So sind sie in der Jugendphase schnittmäßig anders zu behandeln, als in der Ertrags- oder Altersphase. Zusätzlich ist das genetisch bedingte Wuchsverhalten der Sorten und der Unterlagen, auf denen die Sorten veredelt wurden, zu berücksichtigen.
Nach dem Pflanzschnitt setzen Obstbäume, die auf schwachen Unterlagen veredelt wurden, um kleinkronige Baumformen erziehen zu können, bereits im dritten, spätestens vierten Standjahr Blütenknospen an, auf die beim Schnitt Rücksicht zu nehmen wäre.
Kleingärtner, die den Obstbaumschnitt noch nicht so gut beherrschen, sollten erst dann damit beginnen, wenn sie die Blüten- von den Holzknospen, unterscheiden können. Blütenknospen sind rundlich und größer, die Holzknospen spitz und kleiner. Beide Knospenformen findet man nicht nur auf den mehrjährigen Zweigen sondern auch auf einjährigen Lang- und Kurztrieben. Achtet man auf diese Unterschiede nicht, sind Fehlentwicklungen bei den Obstbäumen vorprogrammiert. Die anderen Knospenformen zu kennen ist zwar hilfreich, aber von nicht so großer Bedeutung.
Vor allem bei jungen Obstbäumen, die sich in der Jugendphase befinden, ist der Blütenknospenansatz entwicklungsbedingt sehr gering. Um aber auch diese so früh als möglich in die Ertragsphase zu bringen, ist jede Blütenknospe, auch wenn der Kronenaufbau noch nicht beendet ist, möglichst zu erhalten. Ab wann kann man die Blütenvon den Holzknospen unterscheiden? Nur laufende Beobachtungen führen zu dem gewünschten Erfolg. Nach der Blüteninduktion beginnt im Juni bereits die Blütenknospenentwicklung, die beim Steinobst früher abgeschlossen ist als beim Kernobst. Schon im September erkennt man, zuerst bei den Kirschen und Weichseln, wenig später bei den Pfirsichen, Marillen, Zwetschken und Pflaumen einen deutlichen Unterschied in der Knospenentwicklung. Beim Kernobst dauert es deutlich länger, da die Blütenknospen erst knapp vor der Blüte voll entwickelt sind.




Die Knospenformen
Holzknospen
Der überwiegende Teil der Knospen an den Obstbäumen sind Holzknospen, die eher unscheinbar, an den Trieben flach anliegen und fast immer spitz geformt sind. An kräftigen, einjährigen Trieben, den sogenannten Langtrieben, sind sie end- und seitenständig zu finden. Letztere bezeichnet man dann als Seitenknospen, die in einigen Fachbüchern auch unter dem Namen Achselknospen beschrieben werden. An der Spitze dieser Triebe sitzen die Terminalknospen, die gut ausgereift sind. Ausnahme stellen hier die Johannistriebe dar, die nach einem nochmaligen Austrieb aber nicht mehr ausreifen.
Blütenknospen
Aus den End- und Seitenknospen der einjährigen Triebe können auch Blütenknospen entstehen. Vor allem schwächer wachsende oder durch Formier- und Bindearbeiten im vegetativen Wachstum gebremste Triebe, können sich Blütenknospen entwickeln. Diese heben sich, wie bereits erwähnt, von den Trieben deutlich ab, sind runder und vor allem deutlich größer als die Holzknospen. Sie sind vor allem an kurzen, einjährigen Trieben sowohl end- als auch seitenständig zu finden. Die Sorte Gelber Bellefleur trägt endständig sogar auf den Langtrieben eine Blütenknospe.
Übergangsknospen
Übergangsknospen sitzen endständig auf kurzen Trieben und kommen nur beim Kernobst vor. Sie sind fast genau so groß wie die Blütenknospen, entwickeln sich aber anders. Zur Zeit des Austriebes kommt es zur Bildung von Blattrosetten, die erst im Laufe des Jahres zu Blütenknospen werden.
Schlafende Knospen
Jeder Obstbaum hat auch schlafende Knospen, die an der Basis der Triebe und zwischen zwei Vegetationsperioden zu finden sind. Sie können über mehrere Jahre ruhen. Wird in diesem Bereich zurückgeschnitten, kommt es zum Austrieb.
Adventivknospen
Auch Adventivknospen sind kaum sichtbar. Wenn ein starker Rückschnitt erfolgt, treiben diese Knospen durch. Bei Himbeeren und Brombeeren entwickeln sie sich an den Wurzeln. Es entstehen aus ihnen die sogenannten Schösslinge, die bei der Vermehrung erwünscht sind.
Beiknospen
Bei einigen Obstarten können die Hauptknospen, wenn sie beschädigt oder nach dem Austrieb abgefroren sind, durch die Beiknospen ersetzt werden. Vor allem an einjährigen Walnusstrieben sind sie gut zu erkennen.
Gemischte Knospen
Gemischte Knospen finden wir beim Kernobst. Sie sind aber keine spezielle Knospenart, sondern gehen aus einer Blütenknospe, die aus fünf bis sieben Blüten besteht, hervor. Dabei entwickeln sich unterhalb der Blütenblätter und Niederblätter die Blattrosetten. Aus diesen, während der Vegetation entstandenen Knospen können dann wieder Blütenknospen gebildet werden. Dieser Vorgang kann sich einige Jahre wiederholen. Es kommt aber so zur Bildung älteren Fruchtholzes, bei dem die Blütenknospen jedes Jahr schlechter ausgebildet werden. Das führt zu kleineren und geschmacklich minderwertigeren Früchten. Deshalb muss beim Baumschnitt auf die Erhaltung von einjährigen Trieben besonderer Wert gelegt werden, da sich auf diesen, wie schon erwähnt, im ersten, vor allem aber im zweiten Jahr Blütenknospen entwickeln, die uns qualitativ hochwertige Früchte liefern.
Obstgarten von Dipl. Ing. Peter Modl