Die Entwicklungsphasen der Obstbäume

Die Frage nach dem optimalen Schnittzeitpunkt stellt sich spätestens dann, wenn die Obstbäume ihre Blätter verlieren. Viele Kleingärtner, die jedes Jahr schneiden, haben erkannt, dass nicht nur individuell geschnitten, sondern auch formiert werden muss. Nur so ist eine früher beginnende generative Entwicklung der Obstbäume, die vom Alter, der Obstart und sogar der jeweiligen Obstsorte abhängig ist, zu erreichen.

Wie lange die einzelnen Entwicklungsphasen dauern, hängt aber nicht nur von den Schnitt- und Formierarbeiten ab, sondern auch von den Sorten- Unterlagenkombinationen.

Die drei Hauptentwicklungsphasen sind die Jugend-, die Ertrags- und die Altersphase.

Die Entwicklung der Obstbäume wird auch oft in fünf Phasen eingeteilt:

  • Sie beginnt mit der Jugendphase,
  • die in die Phase des ansteigenden Ertrages übergeht,
  • gefolgt von der Ertragsphase, die solange wie nur möglich bestehen soll,
  • damit die Altersphase hinausgezögert wird,
  • um dann mit der Abgangsphase das Baumalter zu beenden.

Die Phase zwei des ansteigenden Ertrages ist oft schwer abzugrenzen. Es stellt sich die Frage: Wann beginnt sie und wann endet sie? Deshalb wird die Entwicklungsstufe des beginnenden Ertrages meistens in die Jugendphase eingebunden.

Wie die einzelnen Phasen verlaufen, hängt davon ab, wie intensiv man in die Entwicklung der Obstbäume eingreift.

Wird überhaupt nicht geschnitten und auch nicht formiert, bilden die Obstbäume steil nach oben gerichtete Äste, die sich später unter der Fruchtlast biegen und abbrechen. Größere Wunden, die dadurch entstehen, ermöglichen Schädlingen und Pilzsporen leicht in die Holzkörper einzudringen. Ohne Schnitt lässt der Wuchs später deutlich nach. Bald findet man nur mehr altes Fruchtholz, an dem sich nur mehr kleine, geschmacklich-minderwertige Früchte entwickeln. Deshalb sind Schnittmaßnahmen unbedingt notwendig und auf die jeweilige Entwicklungsphase der Obstgehölze abzustimmen.

Jugendphase: Aufbau- und Erziehungsschnitt

Nach dem Pflanzschnitt beginnt die Jugendphase. In diese Zeit fällt der Aufbau- und Erziehungsschnitt der Obstbäume. Die Länge dieser Phase ist innerhalb jeder Obstart von der Wüchsigkeit der Sorte und den Wuchseigenschaften der Unterlagen abhängig. Wird ein kräftig wachsender Obstbaum immer wieder stark zurückgeschnitten, verlängert sich die Jugendphase, die zehn Jahre und sogar noch länger dauern kann.

Für die Schnittmaßnahmen bedeutet das, nach Möglichkeiten zu suchen, die Wuchskraft zu bremsen. Es sollte dann erst im beginnenden Frühjahr geschnitten und formiert werden, wenn die Knospen bereits angetrieben haben. Dadurch ist die Wuchskraft etwas zu bremsen. Außer den Leitästen, die angeschnitten werden müssen, da sie später die Kronen tragen sollen, sind die anderen Triebe, je nach Stellung in den Kronen, entweder zu formieren, lang zu lassen, oder komplett zu entfernen, da ein Anschneiden auf zwei bis drei Knospen bei kräftig wachsenden Obstbäumen immer wieder zu einer starken Triebbildung führt, die aber nicht wünschenswert ist.

Außerdem sollte mit dem Grünschnitt in die weitere Entwicklung eingegriffen werden. Das Ziel dieser Maßnahmen ist das rasche Erreichen des „physiologischen Gleichgewichts“. Darunter versteht man, dass das vegetative Wachstum, Bildung von Trieben mit Holzknospen und das generative, Triebe mit Blütenknospenansatz, sich im Gleichgewicht befinden. Bei Obstbäumen in der Jugendphase stehen meistens einer starken Triebbildung eine unbefriedigende Blüten- bildung und dadurch auch einer bescheidenen Fruchtbildung gegenüber. Bei dem Kernobst sind die ersten Früchte sehr groß und oft stippig. Steinobstbäume setzen zwar bald Blüten an, werfen sie aber aufgrund der starken Triebkraft ab.

Ertragsphase und Instand- haltungsschnitt

Wenn die gewünschte Höhe der Obstbäume erreicht ist, und die Erträge langsam steigen, beginnt die Ertragsphase, die auch als Phase des Vollertrages bezeichnet wird. Die Leittriebe werden dann nicht mehr angeschnitten, sondern auf tiefer und flacher stehende Verzweigungen abgeleitet, um die gewünschte Kronenhöhe zu halten. Triebe, die ins Innere der Krone wachsen, sich mit anderen kreuzen, oder in Konkurrenz stehen, sind an der Basis weg zu schneiden.

Triebe, die den Kronenaufbau nicht stö- ren, können in eine flachere Stellung formiert werden. Bei dem Fruchtholz wird immer das ältere, abgetragene herausgeschnitten, da sich dort nur mehr kleine, geschmacklich mindere Früchte entwickeln. Werden die Formier- und Schnittarbeiten jährlich konsequent durchgeführt, wird die Ertragsphase verlängert. Deshalb bezeichnet man diese Schnittarbeiten auch als Erhaltungs- oder Instandhaltungsschnitt. Es wird auch oft der Begriff Überwachungsschnitt verwendet.

Erfahrungsgemäß wird in der Ertrags- phase der Fehler gemacht, wenig zu schneiden. Dadurch werden die Kronen zu dicht und die im Inneren hängenden Früchte bleiben aufgrund des Sonnenmangels geschmacklos und werden immer kleiner. In weiterer Folge lässt die Triebbildung deutlich nach und auch die Blüten- und Holzknospen entwickeln sich schlechter. Ein Zeichen dafür, dass die Obstbäume in die Altersphase übergehen.

Abgangsphase und Auslichtungsschnitt

Bei dem notwendig gewordenen Auslichtungsschnitt sind ganze Äste an der Basis herauszuschneiden, damit wieder Licht ins Kroneninnere gelangt. Erst dann soll eine Höhen- und Seitenregulierung der Obstbäume erfolgen, um wieder das ursprüngliche Kronengerüst zu erhalten. Die Leitäste sollen wieder in ungefähr gleicher Höhe angeschnitten werden, damit sich die Kronen gleichmäßig entwickeln können.

In den folgenden Jahren sind Schnitt- und Formierarbeiten notwendig, weil es sonst, vor allem bei kräftig ausgelichteten Obst- bäumen, durch einen zu starken Wuchs sich innerhalb kurzer Zeit zu dichte Kronen entwickeln. Nach dem Rückschnitt muss daher jedes Jahr korrigierend in den Kronenaufbau eingegriffen werden. Ziel ist wieder ein ausgewogenes vegetatives und generatives Wachstum.

Neupflanzung bei vergreisten Obstbäumen

Bei schon stärker vergreisten Obstbäumen kann es aber vorkommen, dass selbst kräftige Rückschnitte keine Neutriebbildung mehr induzieren. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass sich diese Obstbäume bereits in der Abgangsphase befinden. Sie sind dann zu roden und durch Neupflanzungen zu ersetzen.

Während man vor einigen Jahrzehnten noch ausschließlich Obstbäume pflanzte, die eine bis zu zehnjährige Jugendphase hatten (es wird hier nur an die Hauszwetschken er- innert) ist man heute bestrebt, so rasch als möglich die Jugendphase zu durchschreiten, um in die Ertragsphase zu kommen. Dies ist aber sicherlich nur in Kombination mit schwach wüchsigen Unterlagen möglich. Wer einen Obstbaum in erster Linie als Schattenbaum nutzen will, muss auch dementsprechend lange eine Krone aufbauen. Dadurch wird die Jugendphase deutlich verlängert. Im Extremfall können wie schon erwähnt durch einen jährlichen, kräftigen Schnitt Obstbäume länger in der jugendlichen Entwicklung bleiben. Dies macht aber nur dort einen Sinn, wo Reisermaterial für neue Veredelungen benötigt wird.

Beschleunigte Entwicklung durch schwachwüchsige Unterlagen

Die heute angebotenen, schwachwüchsigen Obstbäume durchlaufen ihre fünf Entwicklungsphasen in zehn bis fünfzehn Jahren. Manche haben die Altersphase nach nicht einmal zehn Jahren erreicht. Wie alt aber schlussendlich ein Obstbaum wird, hängt von den Schnitt- und Formierarbeiten ab, die einer zu frühen Vergreisung entgegenwirken.

Obstgarten von Dipl. Ing. Peter Modl


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