Die Große Kuhschelle - läutet mit ihren violetten Glocken den Frühling ein

Sobald der Winter vorbei ist, strecken die zottig behaarten Großen Kuhschellen ihre Köpfe aus der noch braungefärbten Streuschicht und zaubern violette Farbtupfen in die Landschaft.

 

Die Große Kuhschelle (Pulsatilla grandis) legt ihre Blütenknospen noch vor dem Winter an. Sie überdauern die kalte Jahreszeit knapp über dem Erdboden, geschützt in einer Schicht aus abgestorbenen Laubblättern. Treffen ausreichend warme Sonnenstrahlen auf den Boden, werden die Energiereserven aus dem unterirdischen Rhizom genutzt, um die pelzig behaarten Blüten auszubilden.

Je nach Standort öffnen sich im Februar oder März fünf bis sieben violette Blütenblätter und geben den Blick auf die zahlreichen dottergelben Staubblätter und violett gefärbten Fruchtblätter frei. Ihre an eine Kuhglocke erinnernde Blütenform hat ihr den sonderbaren Namen „Kuhschelle“ verliehen.

Mit ihrem weißen Pelz aus feinen Härchen schützen sich die „Osterglocken“ vor erneuten Kälteeinbrüchen und zu starker Sonneneinstrahlung. Die Behaarung am Pflanzenstängel, an der Außenseite der Blütenblätter und den Hochblättern bildet eine schützende, wärmende Isolationsschicht und vermindert die Luftbewegungen. So können sich die Blüten bis zu +9 Grad Celsius im Vergleich zur Umgebungstemperatur erwärmen.

Mit der frühen Blütezeit reduziert die Kuhschelle den Konkurrenzkampf um Nährstoffe, Wasser und Bestäuber. Da jedoch nur wenige Blütenbesucher zu dieser Zeit aktiv sind und ungünstige Witterungen die fliegenden Bestäuber fernhalten können, bringt die frühe Blütezeit jedoch auch einige Risiken mit sich. Mit einigen Anpassungen an diese widrigen Bedingungen sichern sie sich trotzdem eine erfolgreiche Bestäubung.

Die Knospen der „Rauchfangkehrableaml“, wie sie im niederösterreichischen Volksmund auch genannt wird, öffnen sich erst bei Temperaturen um +12 Grad Celsius. Das entspricht der unteren Temperaturgrenze der im Frühjahr fliegenden Wildbienen, wobei die bereits ab zwei bis fünf Grad Celsius aktiven Hummeln eine Ausnahme darstellen. Wie bei vielen typischen Frühlingsblühern, sind die Blüten der Kuhschellen nur zu den wärmsten Stunden des Tages geöffnet. Denn während dieser Zeit sind auch ihre Bestäuber am aktivsten. Dann wird auch der Pollen gestaffelt freigegeben. So bleiben die Blüten länger fruchtbar und attraktiv für die Bestäuber.

Die prächtigen Blüten stellen eine unverzichtbare Pollen- und Nektarquelle dar und ziehen somit Wildbienen wie Hummeln (Bombus), verschiedene Arten von Sandbienen (Andrena), Furchenbienen (Lasioglossum) oder Mauerbienen (Osmia) aber auch Honigbienen an. Ameisen sind ebenfalls gerne zu Gast und laben sich an dem süßen Nektar.

Um die wärmenden Sonnenstrahlen besser einfangen zu können, strecken die Pflanzen ihre hübschen Glocken der Sonne entgegen. Die aufgenommene Wärme beschleunigt nicht nur das Wachstum, sondern auch die Reifung der Samenanlagen. Verdecken jedoch Wolken die Sonne und kühlt die Luft ab, ziehen sich Bestäuber gerne in die warme Stube der Blüten zurück. Von manchem vom schlechten Wetter überraschten Insekt wird die Blüte auch schon mal als Notquartier über Nacht genutzt.

Das Öffnen und Schließen der Blüte hängt nicht nur vom Tagesverlauf und der Witterung ab, sondern auch von ihrem Alter. Junge Blüten sind nur halb offen. So berühren die in die Jungblüte kriechenden Bestäuber zuerst die Narben und übertragen so den Pollen von anderen Blüten – ein genialer Trick, um die Bestäubung zu garantieren.
Der Öffnungs- und Schließbewegungsmechanismus ist faszinierend! Die Zellen der Blütenblattoberseite wachsen nämlich bei höheren Temperaturen schneller, wodurch sich die Blütenblätter langsam öffnen. Bei kühlen Temperaturen hingegen wachsen die Zellen auf der Unterseite schneller und die Blüte schließt sich wieder. Dieser irreversible Vorgang ist nur so lange möglich, bis die Blütenblätter ausgewachsen sind.

Am Ende der Blütezeit erscheinen die fiederschnittigen Laubblätter und der Pflanzenstängel streckt sich mehr als das Doppelte in die Länge. Nach einer erfolgreichen Bestäubung wachsen die Griffel zu einem Federschweif aus und bilden einen entzückenden buschigen Fruchtstand. In der Mundart wird dieser als „grantiger Jager“ bezeichnet. Im Mai reifen die Samen heran und werden mit ihren Federschweifen durch den Wind verweht oder von Tieren verschleppt. Die bei Trockenheit abgeknickten Federschweife strecken sich bei feuchtem Wetter und drehen sich dabei um die eigene Achse. So können sich die Samen bei abwechselnder trockener und feuchter Witterung in offene Bodenstellen hineinbohren.

Gelbe Alpen-Kuhschelle
Nördliche Alpen-Kuhschelle

Die pannonisch verbreitete Große Kuhschelle findet man in Österreich in niederen Lagen, wo sie Trockenrasen, Felsstandorte und lichte Schwarzföhrenwälder besiedelt. Als typische Steppenpflanze ist sie gut an trockene und lichte Standorte angepasst. Mit ihrem weiten Wurzelsystem kann sie Wasser aus tiefen Bodenschichten aufnehmen und ist so gegen Trockenheit gerüstet. Die Gattung Pulsatilla zählt weltweit etwa 38 Arten, davon sind neun in Europa heimisch. In Österreich findet man in den niederen Lagen neben der Großen Kuhschelle die weiter westlich vorkommende und ihr ähnelnde Gewöhnliche Kuhschelle (P. vulgaris), die dunkelviolett blühende Berg-Kuhschelle (P. montana) und die schwarzviolett blühende Schwarze Wiesen-Kuhschelle (P. pratensis subsp. nigricans). Letztere tritt mit der Großen Kuhschelle gemeinsam auf. In höheren Lagen trifft man auf die Gelbe Alpen-Kuhschelle (P. alpina subsp. apiifolia) oder auf die weiß-blühenden Nördliche Alpen-Kuhschelle (P. alpina subsp. alpina) und Frühlings-Kuhschelle (P. vernalis). Die wilden Bestände der verschiedenen Kuhschellen- Arten sind strengstens geschützt! Erfreuen Sie sich beim Spaziergang an ihnen, machen Sie Fotos, aber bitte lassen Sie die Pflanzen an ihrem Naturstandort stehen!

In den eigenen Naturgarten kann man die Zierformen der Gewöhnlichen Kuhschelle (P. vulgaris) pflanzen. Diese sind an den Gartenboden angepasst. Alle anderen Pulsatilla-Arten sind etwas eigenwillig und schwierig zu kultivieren. Deshalb lassen Sie sich von den verschiedenen Farben der Zierformen von Pulsatilla vulgaris verzaubern und kombinieren sie diese mit Adonisröschen, Sonnenröschen, Alpenaster oder Thymian-Arten. An sonnigen Plätzen mit durchlässigen Böden, wie z. B. in Steingärten oder Steppenheide- Beeten, fühlen sich die pflegeleichten Stauden wohl und sind ein schöner Blickfang im Frühling.

 

von Katharina Sandler MSc, Bio Forschung Austria

 

Der Artikel ist im Rahmen des Interreg Projektes SYM:BIO ATCZ234, welches durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung kofinanziert ist, entstanden.
Weitere Informationen zum Projekt: www.bioforschung.at/projects/symbio-at-cz/


Das könnte Sie auch interessieren