Weißdorn - wertvolles Wildgehölz für Mensch und Tier

Die knallig roten Weißdorn-Früchte zieren den Garten in der kalten Jahreszeit und bieten zahlreichen Vögeln eine reiche Nahrungsquelle während der kargen Wintermonate.

Der Weißdorn (Crataegus sp.) – ein sommergrüner, breitbuschig wachsender Großstrauch, verzaubert nicht nur durch sein orangegelbes Herbstlaub, sondern auch mit seinen leuchtenden Früchten. Diese runden bis walzig geformten Früchte sind für die Tierwelt eine unverzichtbare Futterquelle. Im Herbst stärken sich Haselmaus, Sieben- und Gartenschläfer an den Früchten, um die kalte Jahreszeit gut zu überstehen. Aber auch Blätter, Triebe und Blüten sind auf Speisezetteln von über 17 Säugetierarten zu finden.

Im Volksmund wird der Weißdorn auch „Vogelbeer“ genannt. Kein Wunder, wenn sich über 30 Vogelarten an seinen Früchten laben. Im Winter, wenn die Blätter abgefallen sind, lassen sich die gefiederten Tiere, angefangen von Eichelhäher, Elster und Drossel bis hin zum Rotkehlchen gut bei der Futtersuche beobachten. Für Vögel ist der Weißdorn eine Wohlfühloase. Die Früchte laden zum Genuss ein und das Dickicht aus bedornten Trieben ist ein gutes Versteck vor Fressfeinden, aber auch ein idealer Brutplatz für Busch- und Bodenbrüter. Um ihr Brutgeschäft nicht zu stören, sollte von April bis September kein radikaler Rückschnitt erfolgen.

Als Zierpflanze eignet sich der langsam wachsende Weißdorn auch für kleine Gärten. Er ist anspruchslos, gut schnittverträglich und kann als kleinkroniger Baum heranwachsen. Die über 100 Jahre alt werdenden Weißdorne sind Tiefwurzler mit weitreichenden Seitenwurzeln, mit denen sie sich in der Tiefe mit Wasser versorgen. So kommen sie auch mit länger anhaltender Trockenheit gut zurecht.

In Österreich kommen drei Weißdorn-Arten vor, welche sich an Blatt, Blüten und Fruchtmerkmalen unterscheiden, aber auch unterschiedliche Standortansprüche besitzen. Kennt man diese, fällt es leicht, den geeigneten Platz im Garten zu finden.

Der robuste Eingriffelige-Weißdorn (Crataegus monogyna) wächst an sonnigen bis halbschattigen Plätzen. Er bevorzugt nährstoffreiche Böden, verträgt es aber auch schon mal mager und sandig. Im Pannonikum findet man ihn entlang von Waldrändern, in Hecken, aber auch alleinstehend auf Trockenrasen, wo er gut mit Trockenheit zurechtkommt. Er ist ein guter Tipp für den klimawandelangepassten und trockenheitsverträglichen Garten.

Der Zweigriffelige-Weißdorn (Crataegus laevigata) blüht etwas früher als der Eingriffelige- Weißdorn und braucht frische, nährstoffreiche Böden. Im pannonischen Klima fühlt er sich an halbschattigen oder schattigen Plätzen wohl.

Die dritte Art ist der wenig bekannte schattenliebende Großkelchige-Weißdorn (Crataegus rhipidophylla), welcher leider nicht in kultivierter Form beim Gärtner erhältlich ist.

Die unterschiedlichen Crataegus-Arten sind schwer bestimmbar. Einerseits können sie miteinander hybridisieren, sich also kreuzen. Andererseits zeigen sie eine große Formvariabilität der Merkmale auf einem einzigen Strauch. Beispielsweise unterscheiden sich Blätter von Kurz- und Langtrieben, sowie Schatten- von Sonnenblättern in Größe und Form. Letztere sind meist vergrößert, um eine Steigerung der Photosynthese zu erzielen.

Der volkstümliche Name „Hagedorn“ oder „Hagedotsch“, abgeleitet von dem altdeutschen Wort „Hag“ für Umfriedung und Einhegung, deutet auf seine frühere Nutzung als lebendiger Zaun um Weiden, Höfe und Siedlungen hin. Den Weißdorn findet man heute noch häufig in Hecken, wo er ein wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft ist. Hecken erfüllen nicht nur wichtige Funktionen für Tiere, sondern auch für uns Menschen, indem sie z. B. Felder vor Winderosion schützen oder temperaturausgleichend auf die Umgebung wirken.

Der Eingriffelige- und Zweigriffelige-Weißdorn sind alte bewährte Arzneipflanzen. Die in Blättern, Blüten und Früchten enthaltenen Flavonoide und Procyanidine sind für ihre herzstärkende und kreislaufanregende Wirkung bekannt. Blüten, Blätter und Früchte können als Tee getrunken oder auch als Tinkturen unterstützend eingenommen werden.

Die aromatisch schmeckenden, aber mehligen Früchte des Weißdorns verleihen ihm die Namen „Möbearl“ oder „Möhbeer“. Die Vitamin C-haltigen Mehlbeeren können ab September gesammelt und zu Marmelade, Mus, Sirup oder Likör verarbeitet werden. Die jungen fiederlappigen Blätter, aber auch die Knospen kann man roh in Salaten genießen. Die Samen wurden in Notzeiten geschrotet, geröstet und genauso wie Löwenzahn und Wegwarten-Wurzel als Kaffeeersatz genutzt.

Als Rosengewächs (Rosaceae) weist der Weißdorn typische Blüten mit fünf Blütenblättern und vielen Staubbeuteln auf, welche in zahlreichen Doldenrispen angeordnet sind. Wenn der Weißdorn sonnig steht, kann die Blütenpracht so üppig ausfallen, dass der Strauch zwei bis drei Wochen lang in einem weißen duftenden Flor erscheint. Ein Tipp für den Garten: je sonniger der Platz ist, desto mehr Blüten bildet der Weißdorn aus. Genau dieses weiße Blütenmeer gibt dem Weißdorn seinen deutschen Namen.

Im Mai und Juni, wenn die Blütenpracht nach dem Laubaustrieb erstrahlt, suchen Honigbienen und eine Vielzahl an Wildbienen die Blüten auf, um Nektar und Pollen zu sammeln. Der Eingriffelige-Weißdorn wird u. a. von der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) und verschiedenen Sandbienenarten (Andrena sp.) besucht. Den Pollen des Zweigriffeligen-Weißdorns nutzen sogar bis zu 16 Sandbienenarten, um damit in ihren Brutzellen einen Proviant für ihre Larven anzulegen. Auch Hummeln wie die Kryptarum- Erdhummel (Bombus cryptarum) nutzen den Weißdorn als Nahrungsquelle für ihre Nachkommen.

Neben Wildbienen besuchen auch zwei Dutzend Schwebfliegen-Arten die Blüten der Weißdornbüsche. Die Käfervielfalt ist sogar noch viel höher, denn über 50 Käferarten finden hier im Laufe ihres Entwicklungszyklus geeignete Nahrungsquellen vor, egal ob Blüten, Blätter oder Holz. Häufig anzutreffen sind der prächtig schillernde Rosenkäfer oder verschiedene Bockkäferarten, wie der Kleine Eichenbock (Cerambyx scopolii) und der Gefleckte Schmalbock (Rutpela maculata).

Auch einige Tagfalter wie Tagpfauenauge, Distelfalter oder Landkärtchen nutzen das Nektarangebot. Vor allem als Raupenfutterpflanze leistet der Weißdorn einen wichtigen Beitrag für die Tagfalterentwicklung, denn über 50 Klein- und 60 Großfalterarten nutzen die Blätter des Weißdorns als Nahrung und Verpuppungsort.

Wer Vögel, Säugetiere und Insekten in seinem Garten beobachten möchte, greift auf jeden Fall auf heimische Sträucher wie den Weißdorn zurück. Er ist pflegeleicht, hitzeverträglich und eine Bereicherung für jeden Garten, egal ob groß oder klein!

Text von Katharina Sandler MSc, Bioforschung Austria

 

Der Artikel ist im Rahmen des Interreg Projektes SYM:BIO ATCZ234, welches durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung kofinanziert ist, entstanden.
Weitere Informationen zum Projekt: www.bioforschung.at/projects/symbio-at-cz/


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