Die Schneerosen - bezaubernde Winterblüher

In der kalten Jahreszeit erfreuen uns Schneerosen mit ihren schlichten weißen Blüten, die sie in Gärten manchmal schon ab Dezember dem Himmel entgegenstrecken.

 

Die ungewöhnliche Blütezeit der Schneerose (Helleborus niger) hat ihr auch den Namen Christrose oder Weihnachtsrose verliehen. An ihrem natürlichen Standort an Hängen in höhergelegenen Wäldern blühen sie erst ab Februar. Bis dahin sind die vor dem Winter angelegten Knospen mit einer schützenden Schneeschicht bedeckt. Bei zunehmenden, jedoch niedrigen Temperaturen bilden sich dann ihre hübschen, bis zu sieben Zentimeter großen Blüten aus. Obwohl das „Schneebleaml“ aus dem Alpenraum stammt, ist es zur Blütezeit frostempfindlicher als sonst. Um die tiefen Temperaturen auszuhalten, hat sich die Schneerose einen cleveren Überlebenstrick einfallen lassen. Sie produziert ihr eigenes Frostschutzmittel, indem sie organische Substanzen wie verschiedene Zucker in die Zellen einlagert. So wird die Bildung von Eiskristallen im Zellsaft verhindert und kurze Fröste können überstanden werden.

Die Schneerosenblüten bestehen aus fünf weißen Blütenblättern mit zahlreichen gelben Staub- und Fruchtblättern im Zentrum. Wie es typisch für Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) ist, besitzen Schneerosen zwischen den Blüten- und Staubblättern eine Reihe von Stanitzel-förmigen Nektarblättern. In deren Innerem sitzen Drüsenzellen, welche zuckerhaltigen Nektar produzieren. Durch den betörenden Duft der Nektarblätter werden früh fliegende Hummelköniginnen, die schon ab 2 °C aktiv sind, oder Wildbienen angelockt. Auch andere Insekten wie Honigbienen oder Käfer freuen sich über das Nahrungsangebot zu dieser kargen Jahreszeit. Die Blüten der Schneerose sind an die Farbwahrnehmung der Insekten angepasst. Die Nektarblätter absorbieren UV-Licht und die so entstehenden, nur für das Insektenauge sichtbaren Streifen weisen den Insekten den Weg zum versteckten Nektar.

Zu ihrer sehr frühen Blütezeit fliegen nur wenige bestäubende Insekten. Um dennoch bestäubt zu werden, bleiben die Narben, also die weiblichen Geschlechtsorgane, besonders lange fruchtbar. Schafft es einmal kein Insekt, die Blüte zu besuchen, kommt einfach der Notfallplan zum Einsatz, nämlich die Selbstbestäubung.

Sind die Blüten bestäubt, lagert die Pflanze Chlorophyll in die Blütenblätter ein, sie werden grün und betreiben Photosynthese. Manchmal verfärben sich die Blütenblätter auch durch eingelagerte Anthocyane attraktiv purpurfarben. Die grünen Blütenblätter erbringen gut ein Drittel der Photosynthese- Leistung der Pflanze und stellen so ausreichend Energie zur Verfügung, um Früchte ausbilden zu können. Aus den befruchteten Fruchtblättern entstehen Balgfrüchte, die sich zur Reife im Spätfrühling entlang einer Naht öffnen und schwarze Samen freigeben.

Für eine erfolgreiche Samenverbreitung sorgen Ameisen, die durch das weiße, nährstoffreiche Anhängsel der Samen, das Ölkörperchen, angelockt werden. Die fleißigen Sechsbeiner tragen die Samen mit den Ölkörperchen in ihren Bau und lagern sie dort ein, falls sie sie am Heimweg noch nicht verzehrt haben. Die abgetrennten Samen werden entlang der Ameisenstraße abgelegt und können bei idealen Bedingungen keimen.

Einen sehr gefinkelten Mechanismus, um besser bestäubt zu werden, hat die Stinkende Nieswurz (H. foetidus), auch Bärenfuß genannt, entwickelt. Mit Hilfe von Hefepilzen erwärmen sich die Blüten und locken so Bestäuber an. Der Hefepilz Metschnikowia reukaufii verstoffwechselt den Nektar und gibt dabei jede Menge Wärme ab. Die Blüten können sich im Vergleich zur Umgebungsluft um bis zu 6 °C erwärmen. Ein Leckerbissen im Warmen ist für die kälteempfindlichen Insekten ein Luxus und ermöglicht ihnen, länger aktiv zu sein.

So wie andere Frühlingsblüher schützt sich auch die Schneerose vor hungrigen Fressfeinden mit der Einlagerung von toxischen Inhaltsstoffen. Alle Pflanzenteile enthalten giftige Substanzen wie z. B. das Saponin Helleborin oder diverse Alkaloide, welche nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen giftig sind. Bereits in der Antike wurde vor der hochtoxischen Wirkung gewarnt, die bei einer Überdosierung zum Tod führen kann. Bei richtiger Dosierung wurde die Schneerose aber schon damals aufgrund ihrer abführenden und brechreizenden Wirkung als Heilmittel eingesetzt.

Der seltsame Name „Schwarze Nieswurz“ für die hübsch blühende Schneerose (H. niger) leitet sich von dem schwarzgefärbten unterirdischen Rhizom ab, welches früher ein pulverisierter Bestandteil von Schnupftabak war. Die Wurzel der Hecken-Schneerose (H. dumentorum) und der Grün-Nieswurz (H. viridis) wurde früher zur Behandlung des Schweinerotlaufs genutzt. Dazu wurde die Wurzel durch ein frisch geschnittenes Loch im Schweineohr gezogen. Diese Anwendung hat ihr volkstümliche Namen wie „Saubleaml“, „Krätznbleaml“ oder auch „Güllkräutl“ beschert. Für diese Zwecke wurde sie früher in Bauerngärten kultiviert.

Im Naturgarten sind Schneerosen- Arten für schattige Plätze unter Sträuchern und Bäumen geeignet. Sie sind pflegeleichte mehrjährige Stauden, die mit der Zeit zu üppigen Beständen heranwachsen. Wer es gerne bunt mag, bedient sich an den vielen Garten-Hybriden. Die Pflanzengattung der Schneerosen (Helleborus) gehört zu den Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae) und umfasst ca. 21 Arten, welche in Asien und Europa verbreitet sind. Von den vier in Österreich heimischen Arten ist die regional geschützte Schneerose (H. niger) am häufigsten als Garten-Staude in Verwendung. Die drei grün blühenden Arten werden seltener als Zierpflanze genutzt, aber ihre bizarren Formen sind ein echter Hingucker im Frühling: Mit ihren nickenden, grünen Blüten schmückt die Stink-Nieswurz (H. foetidus) ab Jänner den winterlichen Garten. Sie braucht frische bis feuchte humusreiche Böden, um zu einer prächtigen immergrünen Staude heranzuwachsen. Die etwas später blühende Grün-Nieswurz (H. viridis) hat ähnliche Standortansprüche. Sie ist sommergrün und leider etwas schneckenanfällig. Eine Rarität ist die Hecken-Schneerose (H. dumentorum), welche man nur in Spezialgärtnereien findet.

Die aus dem Kaukasus stammende Orientalische Schneerose (H. orientalis) überzeugt mit ihren weiß bis purpurviolett gefärbten Blüten von Februar bis April. Am besten gedeiht sie auf nährstoffreichem Boden im Halbschatten, genauso wie die heimische weißblühende Schneerose (H. niger).

Schneerosen-Arten lassen sich gut mit Leberblümchen, Primeln und anderen Pflanzen mit gleichen Bedürfnissen kombinieren. Die ersten auf Nahrungssuche herumschwirrenden Insekten werden Ihnen für Schneerosen und andere Frühlingsblüher in Ihrem Garten danken!

Text von Katharina Sandler MSc, Bioforschung Austria

 

Der Artikel ist im Rahmen des Interreg Projektes SYM:BIO ATCZ234, welches durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung kofinanziert ist, entstanden.
Weitere Informationen zum Projekt: www.bioforschung.at/projects/symbio-at-cz/


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