Wieso ist dieser Milchsaft türkis?

Kurze Antwort: Wegen des unvorstellbar hohen Nickelgehalts. Aber warum tut sich ein Baum das an und speichert das Tausendfache der normalen Menge eines toxischen Schwermetalls? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir unseren Blick auf eine Inselgruppe im Pazifik richten. Doch davor sollten wir klären, wie und warum Nickel von Pflanzen überhaupt aufgenommen wird.

Durch den extremen Nickelgehalt von 20–25 % erscheint der Milchsaft der P. acuminata in einem leuchtenden Türkis.
Die Zellmembran ist mit unterschiedlichen Transportkanälen ausgestattet, um spezifische Moleküle und Ionen durchzuschleusen.
Nickel und andere Übergangsmetalle sind essenziell für wichtige Stoffwechsel-Funktionen in pflanzlichen und tierischen Organismen. In den meisten Fällen sollten sie aber nur in Spuren aufgenommen werden.

Schwermetalle werden von den meisten Organismen als essenzielle Nährstoffe benötigt. Typische Vertreter sind Eisen, Nickel, Kupfer und Zink. Es sind also hauptsächlich Übergangsmetalle – für die Chemiker, die das Periodensystem im Kopf haben. Zu viel davon kann schnell zum Problem werden, aber in sehr geringen Mengen sind Schwermetalle erforderlich für den Ablauf vieler biochemischer Prozesse. Denken wir an das Sauerstofftransport-Protein Hämoglobin im menschlichen Blut, das ohne Eisen nicht funktionieren würde.

Die Rolle des Nickels

Auch Pflanzen brauchen Spuren dieser Elemente und verwenden sie nicht nur für den Nährstofftransport. Kupfer wird beispielsweise für ein Enzym zur Wundschließung benötigt und Zink ist wichtig bei der Regulierung der DNA. Mit Eisen können manche Arten durch Thermogenese sogar Wärme produzieren. Nickel wiederum spielt eine wesentliche Rolle in der Entgiftung von Harnstoff. Gemeinsam mit dem Urease-Enzym bildet es einen Komplex, der die toxische Substanz in Ammoniak und Kohlenstoffdioxid zerlegt, die dann weiter für das pflanzliche Wachstum recycelt werden. Neben dem Spalten von Harnstoff schützt der Metall- Protein-Komplex als Insektizid auch vor Fressfeinden.

Genauso wie Nährstoffe in unsere Zellen hineingeschleust und aus ihnen herausbefördert werden, haben Pflanzen Transportkanäle, um Moleküle und Ionen aus dem Boden zu filtern. Diese Proteine sind auf ein paar Substanzen spezialisiert und jeder Organismus bildet sie entsprechend seinem spezifischen Nährstoffbedarf. Auch die Aufnahme von Schwermetallen erfolgt durch solche Schleusen, die sogar die einzelnen Elemente unterscheiden können. Die Pycnandra acuminata und andere nickelanreichernde Pflanzen bilden besonders viele Nickel-Transportkanäle und können so erhebliche Mengen dieses Metalls aus dem Boden saugen. Dabei behindert das Element üblicherweise die pflanzliche Zellteilung und beschädigt das für die Photosynthese erforderliche Chlorophyll.

In der Nähe von Abraumhalden finden sich oft Metallophyten und Hyperakkumulatoren, die auf Schwermetalle im Boden hinweisen.
Die Flora auf Neukaledonien ist geprägt von einem ultramafischen Boden mit sehr hohem Nickelgehalt.
Hyperakkumulatoren

Neben Nickel werden auch andere Elemente wie Kupfer, Blei und Zink von einigen Pflanzen angereichert. Diese sogenannten Hyperakkumulatoren sind häufig Zeigerpflanzen für Standorte mit hoher Schwermetallbelastung, beispielsweise in der Nähe von Abraumhalden. Allerdings gehören sie nicht einzelnen taxonomischen Pflanzenarten an. Vielmehr bilden sie speziell angepasste Unterarten, deren verwandte Spezies in den meisten Fällen eine viel geringere Schwermetalltoleranz besitzen. Das kommt daher, dass sich die Hyperakkumulatoren keiner neuen Gene bedienen, sondern vorhandene – beispielsweise das für die Bildung der Nickel-Transportkanäle – in einem höheren Ausmaß exprimieren (also das Protein anhand der Geninformation synthetisieren).

Weil diese Pflanzen das toxische Metall sofort in Zellen transportieren, wo es keinen Schaden anrichten kann, gedeihen sie auch auf belasteten Böden. Genaugenommen werden solche Organismen jedoch als Metallophyten bezeichnet und grenzen sich von den Hyperakkumulatoren dadurch ab, dass die letztgenannten abgesehen von der höheren Schwermetalltoleranz von zusätzlichen Vorteilen profitieren. Beispielsweise wirkt das in den Blättern gespeicherte Nickel giftig und schützt vor Fressfeinden. Außerdem reichert sich die Bodenoberfläche um den Hyperakkumulator durch Laubstreu mit dem Schwermetall an, wodurch das Wachstum von weniger toleranten Konkurrenzpflanzen eingeschränkt wird. Dafür nimmt beispielsweise die P. acuminata in Kauf, zusätzliche Nickel-Transportkanäle mit wertvoller Energie zu versorgen.

Die ersten Hyperakkumulatoren wurden bereits 1948 beschrieben. Allerdings gab die Entdeckung der P. acuminata und weiterer solcher Pflanzen in Neukaledonien in den 1970er-Jahren den Anstoß für intensivere Forschungen. Die französische Inselgruppe ist zu einem Drittel mit ultramafischem Substrat bedeckt, einem magmatischen Gestein mit sehr hohem Schwermetall-Gehalt. Wir finden Hyperakkumulatoren aber auf der ganzen Welt, so auch in Europa. Hallersche Schaumkresse (Arabidopsis halleri) zum Beispiel ist auch in Österreich heimisch und bekannt dafür, Blei, Cadmium, Nickel oder Zink zu akkumulieren – je nach Unterart.

Anstatt den gesamten Boden auszutauschen, werden bei der Phytosanierung nur die schädlichen Substanzen extrahiert.
Schaumkresse ist eine wichtige Modellpflanze für Forschungszwecke und gilt auch als Hyperakkumulator, weil sie hohe Gehalte an Schwermetallen speichern kann.
Metalle der Seltenen Erden können vielleicht bald durch das Verbrennen von hyperakkumulierenden Pflanzen gewonnen werden.
Phytosanierung

Anwendung finden solche Pflanzen auch bereits. Sie werden auf belasteten Böden gepflanzt, um dort die toxischen Schwermetalle zu extrahieren. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Methoden wie Bodenaustausch oder Säurewaschung bleiben dabei die Bodenfunktionen erhalten und müssen nicht aufwendig wiederhergestellt werden. Diese Phytosanierung eignet sich vor allem für verseuchtes Ackerland, kommt aber auch bei stillgelegten Abraumhalden zum Einsatz, um die Umgebung vor Kontamination zu schützen.

An einer besonderen Variante dieser Methode wird seit einigen Jahren geforscht und sie kommt im kleinen Rahmen bereits zum Einsatz. Hallersche Schaumkresse soll zum Erzabbau auf Seltenerden-Halden eingesetzt werden, für ein umweltschonendes Verfahren der Metallgewinnung. Die angereicherten Pflanzen werden verbrannt und die Rohstoffe können dann aus der Asche extrahiert werden. Diese Technik des Phytominings kann noch nicht wirtschaftlich betrieben werden, hilft aber, die Kosten der Phytosanierung zu senken.

 

Text von Maximilian Wolf


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