Am Anfang stand der Schlehdorn

Die Schlehen spielten eine große Rolle bei der Entwicklung der „unfassbaren“ Zwetschken-Familie.

 

Geschichte

Pomologen versuchen seit dem 18. Jahrhundert herauszufinden, wie sich die Zwetschke in unseren Breiten entwickelt hat. Vor allem in Deutschland und in Frankreich widmeten sich die Obstbaukundler eingehend der Erkennung der Obstsorten, benannten sie, und versuchten mit Züchtungen eine qualitative Verbesserung zu erreichen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden umfangreiche und oft kunstvolle, reich bebilderte Beschreibungen neuer Sorten. 

Fest steht, dass eine Verwandtschaft zur Schlehe besteht. Der Schlehdorn gehört unter den Steinobstgewächsen zur Gattung Prunus (Prunus spinosa) innerhalb der Familie der Rosengewächse. Die Heimat des Schlehdorns ist der eurasische Raum, wobei zwei Routen festgestellt wurden, wie er spätestens seit der Jungsteinzeit nach Mitteleuropa eingewandert ist. Die eine, vorrömische Route kommt über den Balkan nach Europa, die andere viel später über Sizilien und Italien. Letztendlich verbreitete sich die Pflaume im 2. Jahrhundert v.Chr. von Italien aus über Europa. 

Als einer der Beweise gelten die gelochten Schlehenkerne, die am Bodensee gefunden wurden, und möglicherweise als Kette getragen wurden. Letzten Erkenntnissen zufolge liegt die Vermutung nahe, dass daraus im Laufe der Zeit die kleine, meist rote, wild aus Vorder- bis Mittelasien stammende Kirschpflaume entstanden ist.
Im 1. Jahrhundert n.Chr. beschrieb der römische Historiker Plinius (ca. 23 bis 79 n.Chr.) in seiner Enzyklopädie „Naturalis historia“ 30 Pflaumensorten, wobei man natürlich nicht weiß, wie diese ausgesehen haben. 

Den schriftlichen Beweis für den systematischen Anbau von Pflaumen und Zwetschken in Mitteleuropa findet man jedenfalls im 8. Jahrhundert n.Chr. im „Capitulare de Villis“ von Karl dem Großen. Die Griechen und Römer verwendeten das Harz der Bäume als Arznei. Im frühen 17. Jahrhundert berichten auch Kräuterbücher in Mitteleuropa von zahlreichen Pflaumensorten. 

Im 1753 veröffentlichten „Species Plantarum“ erwähnt der schwedische Naturforscher Carl von Linné erstmals die Pflaume, benannt als Prunus domestica, und sieben Pflaumenunterarten, die er Kriechenpflaumen nannte. 

Bereits im 19. Jahrhundert wurde die Kirschpflaume und wird wie auch die Schlehe heute noch als Veredelungsunterlage (auch als Pfirsichunterlage) verwendet. 

Die Pflaumen stammen vermutlich aus einer bei diesen Wildpflanzen möglichen, selbsttätigen Kreuzung des gewöhnlichen Schlehdorn (Prunus spinosa) und der wilden Kirschpflaume (Prunus cerasifera) ab. Großteils sind die europäischen Pomologen der Meinung, dass über die evolutionären Zeiträume hinweg aus der Schlehe oder aus der Schlehe und Kirschpflaume durch Chromosonenvervielfältigung in Form eines natürlichen Art-Hybrids die Pflaume entstanden ist. Diese Polyploidie ist meist nicht von Dauer, kann in der Folge verlorengehen und neue Eigenschaften aufweisen. Durch die in den Jahrhunderten erfolgten Züchtungen könnte daraus die Zwetschke Prunus domestica subsp. domestica) sowie ihre „nahen“ Verwandten, die Ringlotte und die Mirabellen-Arten entstanden sein. 

Pomologen aus verschiedenen europäischen Ländern sind unterschiedlicher Meinung, wenn es darum geht, Ordnung in die Pflaumenfamilie zu bringen. Beim Versuch, die vielen regionalen Varianten nach Kernform und -größe, dornenlose oder bedornte Sträucher und Bäume aufzulisten, fehlt es meist an schlüssigen Beweisen. 

Dabei sind europaweit auch viele regionale Benennungen wie zum Beispiel für die Mirabellen Haferschlehe, Kriechenpflaume, Spilling, Zieberl usw. entstanden, die teilweise aufgrund einer aufwendigen genetischen Überprüfung zumindest einen Zusammenhang zwischen Kirschpflaume und Kriecherl ergeben haben. 

Die bevorzugten Eigenschaften und ihre Liebhaber

Grundsätzlich ist die Kirschpflaume essbar, wird von türkischen Obsthändlern sogar unreif als „can- eriği“ zum Frischverzehr angeboten. In sommerlicher Hitze soll damit – mit etwas Salz – die Natriumversorgung gesichert werden. Darüberhinaus wird die Kirschpflaume für Zubereitungen wie zum Beispiel für süß-saure Marmeladen oder – in Georgien – für die scharf-saure Sauce Tkemali verwendet. Aus den reichlich im Kaukasus wachsenden, reifen Kirschpflaumen mit Gewürzen wie Minze und Koriander und Knoblauch und scharfe Paprika eingekocht, sind sie dort eine Art Ketchup für Gebratenes, Gegrilltes und Erdäpfelgerichte. 

Die heutigen Arten der Pflaume sind vielfach Kreuzungen und kommen in mehr als 2.000 Sorten vor, die sich teilweise nur geringfügig durch Größe, Farbe, Form, Steinlösbarkeit, Saftgehalt, Aroma und Reifezeit unterscheiden. 

Das Fruchtfleisch der Echten Zwetschke ist weißlich bis grünlich-gelb, saftig und angenehm süß-säuerlich. Die Schale ist meist „bereift“, d.h. von einer weißen Schutzschicht aus natürlichem Fruchtwachs überzogen. Der Kern der reifen Zwetschke lässt sich leicht vom Fruchtfleisch lösen.

Im Naturpark Attersee-Traunsee kann man im „Zwetschkenreich®“ bei einem abwechslungsreichen Spaziergang vieles über den Zwetschkenbaum aus botanischer Sicht, aus Erzählungen, aus der Baumheilkunde und Volksmedizin erfahren und nebenbei auch viele Zubereitungen verkosten.
In der Tiroler Region Stanz, dem höchst gelegenen Obstanbaugebiet Europas, haben sich über Jahrhunderte lokale Typen als Folge der Vermehrung vor Ort herausgebildet. Dazu zählt der Spänling, bis 40 mm große, hellrosa gefärbte Früchte mit intensivem Rosenduft, der wegen seiner intensiven Rotfärbung besonders gern für Marmeladen verwendet wird und als Spänlingsschnaps mit intensivem, würzigen Mandel-Zimt- Aroma eine Rarität darstellt. Auf Initiative der Arche Noah konnten für die Streuobstsorte Roter Spenling als traditionelle österreichische Spezialität bereits die EU-Kennzeichen g. U. und g. g. A. erworben werden.
Die EU-Kennzeichnung g. U. hat zum Ziel, die Namen bestimmter Erzeugnisse zu schützen, g. g. A., „geschützte geografische Angabe“, informiert über die Herkunft eines Produkts. 

Liebhaber freuen sich jedes Jahr auf die Klassiker Zwetschkenknödel und Zwetschkendatschi oder Zwetschkenfleck (Zwetschkenkuchen aus Germteig) und Einkoch-Fans kochen geduldig Zwetschkenröster und Powidl ein. 

Ernährungsberater empfehlen Pflaumen und Zwetschken als Stimulator für den Kohlenhydratstoffwechsel, für Leistungskraft und Stressresistenz. Außerdem regen sie die Nieren- und Darmtätigkeit an. 

Die Ringlotte (auch Reineclaude, Reneklode oder Zuckerpflaume) ist eine kugelförmige Frucht, deren grün-gelbe Schale mit rötlichem Schimmer das aromatisch-süße Fruchtfleisch umschließt. Der Name kommt aus dem Französischen „Prunes de la Reine Claude“, könnte auf die französische, im 16. Jahrhundert nach dem Tod ihres Gatten Francois I., regierende Königin Claudia zurückgehen, oder auf den Anfang des 18. Jahrhunderts tätigen Pomologen René Claude. 

Die Mirabelle ist kleinfruchtig, kugelig, von gelber Farbe oder auch mit roten Wangen oder Pünktchen versehen, und erfreut den Gaumen nur in gut gereiftem Zustand mit ihrem süßen Fruchtfleisch. Der Name wird vom lateinischen “mirabilis” abgeleitet, das “wunderbar” bedeutet. 

Ringlotten und Mirabellen sind für den Transport nicht gut geeignet und haben auch nicht so viele Liebhaber, weil ihr im Fruchtfleisch festsitzender Kern den genussreichen Verzehr hemmt. Wer sie nicht im Garten hat, findet sie auf Wochenmärkten und isst sie am besten gleich auf. Noch ist Zeit, sich dem Genuss dieser Früchte hinzugeben; zumindest die Hauszwetschke wird in guten Erntejahren bis in den Oktober hinein gepflückt.


Das könnte Sie auch interessieren