Erdbeerzeit!

Beim genüsslichen Verzehr der süßen Früchte denkt kaum jemand daran, dass sich die Züchtung der Erdbeeren einst gar nicht so einfach gestaltete.

Kleine Beeren gab’s immer

Die ersten Funde der „Königin der Beeren“ stammen aus der Steinzeit. Die Römer legten um 200 v. Chr. die ersten Erdbeergärten an. Dabei handelte es sich noch um die weit verbreitete Fragaria vesca – die heimische Walderdbeere. Römische Dichter wie Vergil (19. v. Chr.), Ovid (18. n. Chr.) und Plinius (79 n. Chr.) haben ihre Vorteile gerühmt. Sie nannten sie „frega“ oder „fregum“, woran noch heute ihr französischer Name „fraise“ erinnert. Den botanischen Namen fragaria (abgeleitet von fragare = „duften“) erwähnte schriftlich erstmals 1333 der Arzt Matthäus Silvatius, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Salerno den ersten botanischen Garten und in Venedig den ersten öffentlichen medizinisch-botanischen Garten anlegte.

Bei den seit dem Mittelalter im europäischen Alpenraum heimischen Erdbeeren handelt es sich um die immertragenden Walderdbeeren „forma semperflorens“ und die Moschus- oder Zimt-Erdbeere „fragaria moschata“. Zu dieser Zeit waren Erdbeeren so teuer, dass man mehrere Taglöhne für einen kleinen Becher voll bezahlen musste. Das kam daher, dass Erdbeeren vorerst nur wegen ihrer Heilkräfte gesammelt wurden.
König Edward I. von England entdeckte erst im 13. Jahrhundert den Genussfaktor der Erdbeere.

In Johann Wonnecke von Kaubs (Arzt und Botaniker) „Gart der Gesundheit“ erschien erstmals im Jahr 1485 eine Illustration der Walderdbeere, die zur damaligen Zeit vor allem in Apothekengärten angebaut und alle Teile der Pflanze für medizinische Tees, Sirup, Tinkturen oder Salben gegen Quetschungen, Hals- und Rachenerkrankungen, Nierenleiden u. a. Krankheiten eingesetzt wurden. Bis ins 18. Jahrhundert wurden die Vorzüge der Walderdbeere in allen einschlägigen Enzyklopädien beschrieben, wie z. B. auch in Conrad Gessners (1516-1565, Schweizer Arzt, Naturforscher) „Historia plantarum“.

Der Zufall kam zu Hilfe

Walderdbeeren wurden im Laufe der Zeit auf größeren Flächen kultiviert, aber es gelang nicht, die Fruchtgröße zu verbessern. Die Vorfahren der heutigen Gartenerdbeeren (Fragaria ananassa) sind daher keine Züchtung aus der Walderdbeere, sondern entstanden Mitte des 18. Jahrhundert zufällig in Frankreich, wo zwei amerikanische Erdbeer-Arten kultiviert wurden, die in ihrer Heimat nicht gemeinsam vorkamen: Die großfruchtige, relativ geschmacklose Chile-Erdbeere (Fragaria chiloensis), die auch in Peru, Kalifornien bis Alaska und Hawaii verbreitet ist, 1712 nach Europa kam, und die kleine, wohlschmeckende Scharlach-Erdbeere (Fragaria virginiana). In Deutschland wurden die ersten Gartenerdbeeren 1751 aus englischen Stecklingen in den Hofgärten von König Georg II. von Hannover gezogen. Bis zum Jahre 1820 wurden etwa 70 Sorten der nach ihrer Farbe benannten „Scharlacherdbeere“ beschrieben. Die Kreuzung vereinigte die guten Eigenschaften beider Sorten in sich.

Der Erdbeeranbau beschränkte sich zunächst auf Haus- und Schlossgärten. Französische, englische und einige deutsche Sorten dominierten das Angebot.

In der von E. Peters 1884 verfassten Pomologie „Die Cultur des Beeren-Obstes nebst Angabe der empfehlenswertesten Sorten“ wird der Kultivierung der Erdbeeren viel Platz eingeräumt: Er legte den Bauern einen Feldanbau von Erdbeeren als sehr lukrativ nahe, wie er damals bereits in den USA, in Frankreich und England etabliert war.

Unerwähnt in Peters Pomologie bleibt der erste kommerzielle Anbau im Burgenland, wo bereits 1870 die ersten „Ananas“ kultiviert wurden, nachdem sie durch Hans Wolf und Hans Eckhardt aus Deutschland kommend in der Gemeinde Wiesen erstmals gepflanzt wurden.

Erdbeeren – ein globales Handelsgut

Weltweit wurden im Laufe der Zeit mehr als tausend Sorten der roten Früchte gezüchtet. Inzwischen ist die USA größter Produzent der beliebten Beere, gefolgt von Spanien. Diese Kulturerdbeeren unterteilt man in einmaltragende (Ernte nur im Frühsommer) und immertragende Sorten wie z. B. die Monatserdbeere (Ernte von Frühjahr bis zum ersten Frost). Erstere haben die wirtschaftlich größere Bedeutung.

In Österreich gibt es Zuchtstätten (z. B. in Wels, Hartberg), die Jungpflanzen vertreiben, da einige Sorten nicht selbst vermehrt werden dürfen. Jedes Jahr gibt es neue Sorten, die oft nur den Bedürfnissen der Erzeuger und des Handels entsprechen. Erdbeeren zu jeder Jahreszeit – zu Weihnachten aus Chile und zwischen Februar und November aus verschiedenen EU-Ländern kommend, meist gar nicht ausgereifte Früchte – machen unseren Obstbauern vor allem in der kurzen heimischen Erdbeersaison zwischen April (aus geschütztem Anbau) und Mai bis Juli das Leben schwer. Die aufgrund dieser angeblichen Wunschvorstellungen laufend auf den Markt kommenden Neuzüchtungen sind sicherlich mit ein Grund, warum Hobbygärtner oft auf der Suche nach traditionellen Sorten wie z. B. “Senga Sengana” sind.

Erdbeeren in aller Munde

Erdbeeren werden in Österreich im Erwerbsanbau auf einer Fläche von rund 1.200 Hektar angebaut, wobei Niederösterreich und Oberösterreich die größten Anbauflächen aufweisen. Aber auch in den anderen Bundesländern werden Erdbeeren kultiviert, vor allem in der Steiermark, im Burgenland, in Tirol und Kärnten. Wegen der widrigen Wetterverhältnisse konnten von den heimischen Erdbeerbauern im Vorjahr trotz Ausweitung der Produktionsflächen in der Steiermark und im Burgenland nur knapp 11.000 Tonnen geerntet werden. In guten, frost- und hagelfreien Jahren mit genügend Regen und Sonnenstunden kann die Erntemenge bis zu 17.000 Tonnen betragen. Diese Menge reicht allerdings nicht aus, um den Inlandsbedarf zu decken. Aufgrund der kürzlichen Unwetter mit Hagel und Überschwemmungen wird heuer allerdings wieder mit großen Ernteeinbußen gerechnet. Rund vier Kilogromm verspeisen die Österreicher pro Kopf und Jahr von dieser „königlichen Frucht“.

Viele Erdbeer-Genießer wissen, dass diese „Beere“ gar keine Frucht ist: Was landläufig als Erdbeere bezeichnet wird, ist nämlich nicht die Frucht, sondern trägt die eigentliche Frucht als kleine gelbe Nüsschen, die die Samen enthalten. Botanisch betrachtet ist die Erdbeere daher eine sogenannte Sammelnussfrucht aus der Familie der Rosengewächse.

Zwei Anbaugebiete in Österreich sind auch als Genuss-Region ausgezeichnet, was bedeutet, dass die Bauern der Region unter Markenschutz stehen und diese Erdbeeren auch in der regionalen Gastronomie verankert sind: In Oberösterreich wurde das Buchkirchner-Schartner Edelobst zur Genuss-Region erhoben, im Burgenland sind es die Wiesener Ananas Erdbeeren.

Das Klima im nördlichsten Teil der burgenländischen Thermenregion eignet sich hervorragend für die Pflanzung der Gartenerdbeere (= Fragaria ananassa), die hier – sozusagen verdeutscht – Ananas genannt wird. Die Anbaufläche beträgt zwar nur rund 70 Hektar, die Kultivierung der Erdbeerpflanze hat jedoch eine lange Tradition. Durch den guten Absatz am Wiener Markt gewann die Erdbeerkultur rasch an Bedeutung. Von 1910 bis 1922 gab es in Wiesen eine „Staatliche Versuchsstation für Ananas-Erdbeeren“ und Anfang der 1960er Jahre wurden mit Hilfe der Burgenländischen Handelskammer Versuchsfelder angelegt, um neue Ananassorten zu erproben und zu aklimatisieren. Derzeit werden in der Region Wiesen vor allem die Sorten Dasileg, Cery und Valetta angebaut. Die Vermarktung erfolgt über Marktstände direkt am Feld, Ab-Hof- bzw. Straßenverkauf sowie über die Gastronomie und den gewerblichen Handel.

Rund um die Erdbeere finden in Wiesen genussreiche Feste statt, deren Höhepunkt der traditionelle Ananaskirtag, das Erdbeerfest mit Krönung der Erdbeerkönigin ist (heuer am 2. Juni).

Das Obst-Hügel-Land mit seinen dichten Streuobstwiesen im Flach- und Hügelland von Buchkirchen bei Wels mit Scharten, der einzigen herausragenden topografischen Erhöhung zwischen Wels, dem Eferdinger Becken und dem Linzer Zentralraum liefert jährlich alle gängigen Obstsorten und blickt bei der Kultivierung der Erdbeeren auf eine lange Tradition zurück. Der Naturpark Obst-Hügel-Land in St. Marienkirchen/Polenz bietet nicht nur das ganze Jahr über ein buntes Programm, auch das Tafelobst aus der Region und daraus produzierte Marmeladen, Moste, Säfte, Schnäpse und Liköre werden dort zum Verkauf angeboten.

Kleine Beere – große Wirkung

Erdbeeren schmecken nicht nur gut, sie haben auch einen hohen Gehalt an Mineralstoffen (Calcium, Kalium, Phosphor und besonders Eisen), Fruchtsäuren, Provitamin A, B1 und B2 und vor allem Vitamin C.

Aufgrund des hohen Fruchtwasseranteils zählt die Erdbeere zu den Schlankmachern unter den Obstarten, falls sie nicht mit reichlich Schlagobers, Eis oder Schokolade-Fondue genossen wird. Aber: Nur frische Erdbeeren enthalten diese vielen wertvollen Inhaltsstoffe, lange Transportwege vermindern sie.

Am besten verzehrt man diese köstlichen Beeren daher frisch gepflückt, dann kommt man auch in den Genuss ihres einzigartigen Aromas. Notfalls können frisch gepflückte Früchte bei einer Kühlschranktemperatur von 2 bis 6 °C zwei Tage gelagert werden.

Besser ist es, die Beeren, die nicht aufgegessen werden können, gleich zu verarbeiten. Den Vorlieben der Familie entsprechend kann das Erdbeermarmelade sein oder Erdbeermus, das man beim Mixen gleich mit Zucker vermischt, damit die Fruchtfarbe im Kälteschlaf länger erhalten bleibt. In „Verbrauchsgröße“ abgepackt, lässt sich aus dem gefrorenen Mus schnell eine frische Marmelade, ein Erdbeershake oder ein Erdbeereis zubereiten. Dafür mixt man im elektrischen Zerkleinerer das Mus im Verhältnis 2:1 mit Mascarino und Honig nach Geschmack, aromatisiert mit Vanille und Zitronensaft, serviert die zu Eiskugeln geformte Masse mit frischen Erdbeeren, dekoriert mit Zitronenmelisse und gibt Eiswaffeln dazu.

Wie sehr die rote Beere die Menschen beeindruckt hat, beweisen nicht nur klassische Rezepte wie der Eisbecher Romanow, mit Orangenlikör marinierte Erdbeeren mit Schlagobers, sondern auch ihr Vorkommen in Kunst und Literatur. Die Erdbeere ist Bestandteil von Buch- und Filmtiteln, Miraculix lässt sie zur Schikane der Römer für den Zaubertrank heranschaffen und sogar Einstein liebte sie.

Vom Strauch in den Mund

Glücklich ist, wer Erdbeeren im eigenen Garten ernten kann! Inzwischen findet man aber auch österreichweit Erdbeerfelder zum Selbstpflücken. Gönnen Sie sich diesen Ausflug in die Natur und genießen Sie das unnachahmliche Aroma heimischer, frisch gepflückter Erdbeeren!