„Wilde Beeren“
„Wilde Beeren“ leuchten in allen Farben von unseren Sträuchern
Gute Nachrichten für alle, die beim Essen „trendy“ sein wollen! Das heimische Superfood, vitalstoffreiche, farbenprächtige Wildbeeren, sind jetzt in unserer Natur zu finden!
Wer schnell ist und weiß, wo die Sträucher wachsen, findet noch in höheren Lagen Holunderbeeren und vielleicht auch Apfelbeeren. Bei Spaziergängen und Wanderungen sollte man gleich auch bei Preiselbeeren, Hagebutten und Berberitzen zugreifen, den Vögeln aber etwas davon übriglassen.
Holunder
Archäologische Ausgrabungen belegen die Existenz des Holunders in der Jungsteinzeit. Der Schwarze Holunder (Sambucus nigra) ist eine der häufigsten Straucharten in Mitteleuropa, wächst darüber hinaus bis Westsibirien, Kleinasien und Nordafrika. Die Wildform ist an Waldrändern, Gewässerufern und in Gärten zu finden. Zur Gewinnung des Farbstoffes Sambucyanin aus den Schalen der Beeren werden auf etwa 1.000 Hektar dafür selektierte Sorten kultiviert.
Bereits im Altertum hat der griechische Arzt Hippokrates und im Mittelalter der Schweizer Naturmystiker Theophrastus Bombast von Hohenheim, besser als Paracelsus bekannt, seine positiven Wirkungen beschrieben. Bis heute werden die vitaminreichen Beeren, ihr Saft und ein Tee aus Rinde und den ätherischen Ölen aus den Blütenständen als Hausmittel gegen Erkältungen verwendet. In den mythologischen Vorstellungen dominierte immer die Meinung, dass der Holunderbusch eine das Haus beschützende Rolle spielt.
Sobald alle Beeren an den Dolden blauschwarz bzw. beim Roten Holunder tiefrot sind, werden die Dolden abgeschnitten. Grüne, also nicht reife Beeren enthalten aus der Gruppe der Glycoside Pflanzengifte wie u. a. Sambunigrin, das Übelkeit hervorrufen kann. Nachdem eine Marmelade in wenigen Minuten fertiggekocht ist, sollte man – auf jeden Fall bei Verwendung von Rotem Holunder – vorerst die Beeren zirka 20 Minuten kochen, durch ein Sieb oder mit Hilfe der Flotten Lotte von den Kernen befreien und erst danach mit Pektin einkochen.
Berberitze
Die Früchte der Gemeinen Berberitze (Berberis vulgaris) sind in Jahren mit verfrühtem Vegetationsstand ab August reif, was man an der dunkelroten Farbe der Beeren erkennt. Der winterharte Strauch ist giftig, die Rinde und die ebenfalls giftige, gelbe Wurzel wurden früher zum Gelbfärben von Stoffen, Leder und Holz genützt und das harte Holz des Strauches verwendete man für Intarsien und in der Drechslerei. Das in der Wurzel enthaltene Berberin wurde aufgrund seiner entzündungshemmenden Eigenschaften in der Volksheilkunde angewandt und wird von der Arzneimittelforschung auf neue Einsatzgebiete untersucht.
Aufgrund der beinhalteten Fruchtsäuren, wie z. B. Apfelsäure, sind die essbaren Beeren ohne Kerne zwar säuerlich (u. a. auch Sauerdorn genannt), aber sehr vitaminreich. Die Blattdornen erschweren zwar die Ernte, dennoch werden die Berberitzen überall in Europa zu Marmelade, Sirup, Kompott verarbeitet oder getrocknet für die Zubereitung von Früchtetee und Müsli verwendet. In den Westasiatischen Ländern wie im Iran würzt man damit Fisch- und Fleischgerichte und kocht Berberitzenreis. Seit 200 Jahren wird im Nordosten die kernlose Sorte „Asperma“ kultiviert, wobei es sich um alte Strauchbestände handeln dürfte. Bereits der niederländische Arzt und Botaniker Clusius hatte im 16. Jahrhundert beobachtet, dass Berberitzen mit zunehmendem Alter kernlos werden. Während sich andere seiner Kollegen im Altertum den Lehren der griechisch-römischen Gelehrten Dioskurides, Plinius und Galen angeschlossen haben, urteilte Hildegard von Bingen dagegen und empfahl nur eine aus den aufbrechenden Knospen zubereitete Salbe zur Behandlung von Hauterkrankungen.
Apfelbeere
Die ursprünglich in Nordamerika beheimatete Apfelbeere wurde von den Ureinwohnern hoch geschätzt, war Bestandteil einer Art Kraftriegel, Pemmikan genannt, der aus Dörrfleisch, Fett und getrockneten Beeren bestehend als Reiseproviant beliebt war. In „Chokeberry Wildcat“, einem Märchen eines Sioux-Stammes spielt die Apfelbeere (chokeberry) eine Rolle. Es ist nicht überliefert wie die bei uns „Aronia“ genannte Beere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Deutschland gelangte. Aber man darf Berichten glauben, dass der russische Botaniker Iwan Wladimirowitsch Michurin (1855-1935) die Pflanze auf der Suche nach Obstgehölzen mitnahm, die sich verschiedenen Klimabedingungen anpassen können. Nach verschiedenen Kreuzungsversuchen mit Eberesche und Mispel wurde die Apfelbeere 1946 als Obstart anerkannt. Bald danach erkannte man auch ihren Wert als Heilpflanze, sodass sie sich über Skandinavien und die Tschechoslowakei in Richtung Westen ausbreitete. 2007 wurde sie im deutschen Sachsen, aber erst 2015 in Österreich erstmals kultiviert. Mittlerweile haben die Aronia-Beeren bei uns wegen ihres hohen Vitalstoffgehaltes an Interesse gewonnen, sodass sie auf mehr als 500 Hektar – großteils in der Steiermark – kultiviert werden.
Der Wildform Aronia melanocarpa sieht man die Verwandtschaft mit der Eberesche hinsichtlich Dolden und Fruchtform an. Diese Apfelbeere hat zwar kleinere Früchte, der Strauch wird aber größer, ist robuster und wird durch die feuerrote Färbung der Blätter im Herbst zum Blickpunkt in den Parks und Gärten.
Eberesche
Die Eberesche war bereits in der Antike bekannt und von den Germanen dem Thor als heiliger Baum gewidmet, nachdem er sich – wie im Handbuch der Snalden beschrieben wird – an einem Ast der Eberesche aus dem Fluss Wimur zog. Dem keltischen Baumkreis folgend zählt die Eberesche neben Apfel- und Walnussbaum und der Tanne zu den Lebensbäumen, daher sind diese oft an heiligen Stätten angepflanzt worden.
Wie für Rosengewächse typisch hat die Ebereschenbeere, auch Vogelbeere genannt, einen hohen Gerbstoff-, Fruchtsäure- und Pektingehalt. Die meist kugelförmigen, erbsengroßen und leuchtend roten Beeren haben ein gelb-oranges Fruchtfleisch mit hohem Vitamin-C-Gehalt. In der Volksmedizin wird nicht nur den Beeren, sondern auch den Blättern und Blüten eine Heilwirkung zugeschrieben. Die Beeren der Wildform enthalten Parasorbinsäure, die durch Kochen zur Sorbinsäure umgebildet wird, womit sie verträglicher werden und der hohe Vitamin- C-Gehalt nur um ungefähr ein Drittel verlorengeht. Von den Beeren wird auch eine säuerliche Konfitüre als Ersatz für Preiselbeermarmelade gekocht. In den 1950er-Jahren wurden Kulturformen gezüchtet, die bitterstoffarm und zum Verzehr geeignet sind. Neben der Saftherstellung und Kompottzubereitung hat in Westösterreich Vogelbeerschnaps Tradition.
Preiselbeere
Die Preiselbeere kommt aus der Gattung der Heidelbeeren in der Familie der Heidekrautgewächse. Die Großfrüchtige Moosbeere, bei uns auch „Kulturpreiselbeere“ bzw.„Cranberry“ genannt, ist eine andere Art, die botanisch nicht verwandt ist.
Ohne es belegen zu können, nimmt man an, dass die Preiselbeere seit prähistorischer Zeit vorhanden ist. Erst im alt-isländischen Rechtsbuch Grágás aus dem 12. Jahrhundert findet man als Hinweis das Verbot der Ernte auf fremdem Grund.
Von der Wildform sind zwei Unterarten bekannt, wobei sich das Vorkommen einerseits auf die südlichen Länder mit Schwerpunkt Eurasien und andererseits auf die nördlichen und arktischen Länder erstreckt.
In Skandinavien begann der vorerst auf kleine Flächen beschränkte Anbau, dem in den 1960er-Jahren die Kultivierung in Schweden – zur Produktion von Preiselbeer- Marmelade – sowie in Weißrussland und im Baltikum folgte. In der Natur gesammelte Preiselbeeren sind in getrockneter Form seit jeher für die Nährstoffversorgung im Winter wichtig. An die 100 Tonnen werden jährlich in Neufundland und Labrador (Kanada) gesammelt und zum Großteil tiefgefroren exportiert.
Inzwischen hat sich die „Cranberry“ auch im Westen der USA eingebürgert, sodass weltweit mehr als 50 Prozent davon (2020 rund 660.000 Tonnen) produziert werden (lt. Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der FAO) und für die Wildform der Preiselbeere zur immer größeren Konkurrenz werden. Diese benötigt spezielle ökologische Standorte hinsichtlich Boden und Klima, die in Europa nicht überall erfüllt werden können. Dennoch ist ihr herbsaurer Geschmack in zubereiteten Kompotten und Marmeladen als Beilage zu Wildgerichten und Wiener Schnitzel weiterhin gefragt. Darüber hinaus ist die vitalstoffreiche Beere in der Volksmedizin etabliert.
Sanddorn
Sanddorn in der Wuchsform eines bis zu sechs Meter hohen Strauches fällt in die Gattung der Sanddorne innerhalb der Familie der Ölweidengewächse. Seine ursprüngliche Heimat ist Nepal, wovon erst eiszeitliche Verschiebungen zu einer weiteren Verbreitung nach Ost- und Westasien führten. Heute ist er von den Pyrenäen bis zum Kaukasus zu finden. Der sommergrüne Strauch bildet seine Zweige als verdornte Kurztriebe aus, die durch anliegende Schuppen bronzefarben bis silbergrau erscheinen. Die orange-roten bis gelben Schein-Steinfrüchte waren schon im antiken Griechenland hoch angesehen und der Überlieferung nach soll Dschingis Khan auf die heilende Kraft geschworen haben. Sie können – wie z. B. die Hagebutten – roh verzehrt werden und haben nur einen Kern. Die saftigen Früchte sind vitaminreich, weisen unter ihren 100 bioaktiven Substanzen Mineralstoffe, Fruchtsäuren und ätherische Öle auf. Aus dem Direktsaft wird meist Gelee zubereitet, oder man trinkt ihn pur, gemischt mit Birnensaft, und verfeinert damit Süßspeisen und Müsli.
Hagebutte
Die Heckenrose oder auch Hundsrose (Rosa canina) gehört zur Familie der Rosengewächse, stammt ursprünglich aus Europa und Ostasien, wächst in der Wildform zum Beispiel auch in Chile, wo aus den Kernen Öl zur Hautpflege gewonnen wird. Die Hagebutte, bei uns auch Hetschepetsch oder Hetscherln genannt, ist eine Sammel-Nussfrucht, die in verschiedenen Formen – meistens länglich bis eiförmig – an breiten, bis zu drei Meter hohen Sträuchen wächst. Der Name stammt vom althochdeutschen hagan für „Dornstrauch“, wobei die älteste Wortform „Hagedorn“ auch für die vitalstoffreichen Früchte des Weißdorns verwendet worden sein kann, die jedoch viel kleiner sind und ein gelbes Fruchtfleisch haben.
Auffällig ist die rote Farbe der Hagebutte, die großteils vom reichlich beinhalteten Lycopin stammt. Seit jeher wird die Hundsrose als Schutzpflanzung und Bodenfestiger verwendet, für Rosenschulen ist sie die wichtigste Unterlage zur Veredelung von Rosen-Sorten. Wildwachsende Hagebuttensträuche erneuern sich durch unterirdische Sprossen, die neue Wurzeln und Triebe entwickeln und bei guten Wachstumsbedingungen jahrtausendelang existieren können. Ein sagenumwobenes Beispiel ist der tausendjährige Rosenstock in Hildesheim, der während des Zweiten Weltkriegs verbrannte, aber nach acht Wochen 25 neue Triebe hervorbrachte.
Wer schon Hagebutten gesammelt hat, der weiß wie gut das frische Fruchtfleisch schmeckt. Sicherlich macht es viel Mühe, die Kerne mit ihren kleinen Widerhaken aus den Früchten zu holen. Das lohnt sich aber nicht nur wegen des guten Geschmacks, denn vom Vitamin-C-Gehalt – dem höchsten aller Wildbeeren – bleibt sogar noch ein Teil nach dem Kochen übrig.
Seit jeher wird die Hagebutte auch in der Volksmedizin als Mus, Tee oder Saft verwendet. Relativ neu, aber noch in Auswertung der Studien über die Wirkung, ist das Hagebuttenpulver aus feinst vermahlenen Hagebuttensamen und -schalen, das Ernährungsbewusste ihrem Müsli, Joghurt oder Smoothie zusetzen.
Schlehen
Der Schlehdorn, auch Schlehe oder Schwarzdorn genannt, gehört innerhalb der Familie der Rosengewächse zu den Steinobstgewächsen, die wie ihre „Verwandten“ zu Herbstbeginn noch einen herb-säuerlichen Geschmack aufweisen. Zahlreiche Funde von Schlehenkernen in neolithischen Feuchtbodensiedlungen beweisen seine Anwesenheit seit der Jungsteinzeit in Mitteleuropa.
Im Mittelalter wurde die aus der Rinde hergestellte rotbraune Tinte meist in den Skriptorien (Schreibstuben der Klöster; Anm. d. Red.) verwendet. Später wurde die aus der Rinde gewonnene Farbe zur besseren Haltbarkeit von Käse eingesetzt. Blüten, Rinde und Früchte wirken laut Heilkunde u. a. entzündungshemmend und adstringierend. Durch Frosteinwirkung wird jedoch ein Teil dieser bitter schmeckenden Gerbstoffe enzymatisch abgebaut. Schlehen können unreif wie Oliven eingelegt werden, reif wird das Steinobst für die Herstellung von Saft, Marmelade, Obstwein und Likör verwendet.
Für Mensch und Tier
Auch wenn die Wildbeeren nicht so einfach wie herkömmliches Obst zu ernten sind, die Sträucher, auf denen sie wachsen, uns Stacheln und Dornen entgegenstrecken, und der richtige Erntezeitpunkt in die kalte Jahreszeit fällt, sollten wir uns deren Vitamine, Spurenelemente, Mineralstoffe, Flavonoide, Fruchtsäuren und Gerbstoffe zunutze machen. Beim Pflücken sollte man daran denken, dass die Wildsträucher für viele Vogelarten, Säugetiere und Insekten Schutz- und Nistmöglichkeiten bieten sowie – vor allem auch im Winter – eine wichtige Futterquelle darstellen.
Text von Brigitte Mramor