Rote Rübe - nicht immer rot!

Rote Rüben stammen – wie die Futterrüben, die Zuckerrüben und Mangold – von der ursprünglich im Mittelmeergebiet und Nordafrika beheimateten Strandrübe (Beta maritima) ab, haben sich jedoch schon früh bis in die Steppen Asiens und in Mitteleuropa verbreitet. Funde aus der Jungsteinzeit in einer holländischen Küstensiedlung legen nahe, dass die Blätter der Wilden Rübe schon in prähistorischen Zeiten als Gemüse verzehrt wurden. Die Kultivierung begann vermutlich im zweiten Jahrtausend vor Christus. Laut schriftlichen Quellen um 800 v.Chr. aus Assyrien (heute zwischen Bagdad und Persischem Golf) soll die Wildform in den Hängenden Gärten von Babylon gewachsen sein.

Erste Berichte über ihre Heilwirkungen hat der griechische Arzt und Lehrer Hippokrates (ca. 460 v./370 n.Chr.) beschrieben. In etwa zu diesen Zeiten berichtete der griechische Gelehrte und Naturforscher Aristoteles über eine rotstielige Sorte, sein Schüler Theophrast kannte bereits unterschiedlich gefärbte Blattstiele und fand eine von Sizilien stammende weiße oder hellgrüne Sorte, die nach der Insel „sicula“ genannt wurde. Auch die Römer kannten eine weiße und eine schwarze Sorte, die sie „beta“ nannten, und bei der es sich um den Vorläufer unserer heutigen Sorte handeln könnte. Die Römer erkannten den medizinischen Wert der Wurzeln, schätzen sie als Heilpflanze, verzehrten sie, und brachten die Rübe nach Mitteleuropa.

Bis ins 16. Jahrhundert kamen meist die Blätter der Rübe auf den Esstisch, weil die Wurzeln zu hart und dünn waren. Erst als diese zu verschiedenen, dickfleischigen Sorten gezüchtet wurden, konnten die Rüben auch über den Winter gelagert werden. Immer noch waren aber die Samen und Pflanzenteile in der Volksmedizin ein Heilmittel.

Die Rübenfamilie

Die Wilde Rübe, eine Unterart der Pflanzenart Rübe, wird auch Meer- bzw. Strandrübe oder Wild-Beete, Meer-, See- oder Wilder Mangold genannt und gilt als ursprüngliche Stammform der kultivierten Rübensorten Futterrübe, Zuckerrübe, Rote Rübe (Rote Bete, Rahne, Rande) und Mangold. Diese Rüben gehören zur Familie der Fuchsschwanzgewächse, wo sie in der Unterart Beta vulgaris subsp. vulgaris zusammengefasst werden und die Rote Rübe zur Conditive-Gruppe gehört.

Heute noch wächst die Wilde Rübe in den ursprünglichen Landschaften in Südeuropa und in Nordafrika an den Küsten des Mittelmeeres, aber auch westwärts bis zu den Atlantikinseln, südöstlich bis nach Indien und im Norden an den Südküsten von Norwegen und Schweden. Nachdem die Wilde Rübe die Ausgangsform aller Kulturrüben ist, spielt sie beim Erhalt pflanzengenetischer Vielfalt eine wichtige Rolle. Die Sorge geht dahin, dass sich die Wildbestände und Rübenfelder zu nahe kommen und sich durch Rübenpollen die Diversität der Wildvorkommen verändert.

Anbau und Verwendung

Die Rote Rübe ist nicht nur eine Feldpflanze wie sie auch bei uns großflächig angebaut wird, sie eignet sich genauso für den Anbau im eigenen Garten, sofern die Erde nicht lehmig ist. Die weitgehend auch gegen Trockenheit unempfindliche Pflanze blüht erst im zweiten Jahr, bevor sich durch Verdickung des Hypokotyls, jenem Abschnitt zwischen Wurzelhals und Ansatzstelle der Blätter die Knolle bildet, wobei manchmal auch die Wurzel selbst in das Dickenwachstum miteinbezogen sein kann.

Kennt man die Rote Rübe nur als Salat aus dem industriell hergestellten Glas wird man sie auf einem Marktstand vielleicht nicht gleich erkennen, denn sie kann in ihren Kulturformen rund oder birnenförmig sein und erst beim Aufschneiden wird ihr purpurrotes Fruchtfleisch sichtbar. Diese gleichmäßig rote Farbe weist die Rübe allerdings durch die Weiterveredelung ab dem 19. Jahrhundert auf. Davon abgesehen gibt es auch die farblose, „Weiße Bete“, die hellgelbe, „Gelbe Bete“ oder „Goldrübe“ und die italienische Züchtung Tondo di Chioggia beispielsweise zeigt nach dem Halbieren eine ringförmige, weiß-rosa Maserung.

Die Saison für Rote Rüben beginnt im Mai – acht bis zehn Wochen nach der Aussaat – mit den ersten jungen, kleinen Knollen, die im Garten beim Vereinzeln gefunden oder mit den Blättern als Bund auf den Märkten angeboten werden. Vor allem diese jungen Rüben bieten das volle Aroma und werden als Salat mit frisch geriebenem Kren, als Rohkost, gemischt mit Karotten, Äpfeln, Orangen und Nüssen verzehrt oder zum Beispiel als Blickfang fein gehobelt mit grünem Salat vermischt.

Ab August, sobald die Blätter leicht fleckig sind und auf jeden Fall vor dem ersten Frost, werden die ausgereiften Knollen geerntet und auch die Märkte versorgen uns aus Lagerbeständen bis in das nächste Frühjahr. Sollen kleinere Mengen gelagert werden, wickelt man sie in Zeitungspapier ein oder legt sie in einen durchlöcherten Gefrierbeutel, damit sie nicht austrocknen und bis zu vier Wochen im Gemüsefach des Kühlschranks frisch bleiben. Größere Mengen, die nicht vom Ernten angestochen oder verletzt sein dürfen, steckt man am besten in eine mit Folie ausgelegte, mit feuchtem Sand, Sägespänen oder Kokosfasern gefüllte Kiste, wobei nur das „Herz“, das übrig gebliebene, innerste der Blätter nach dem vorsichtigen Entfernen des Laubes herausschauen soll, damit sie in einem kühlen Kellerraum (bei vier bis sechs Grad Celsius) bis zu fünf Monate gelagert werden können. Manche Hobbygärtner legen im Freien eine sogenannte Erdmiete an, eine mit engmaschigem Draht ausgekleidete Grube, in die die Roten Rüben schichtweise in feuchten Sand eingelegt und mit einem Holzbrett abgedeckt werden. In Gegenden mit mildem Winter können die Rüben im Beet bleiben, weil sie Temperaturen bis minus fünf Grad Celsius vertragen. Eine weitere Möglichkeit der Bevorratung ist es, die Knollen ungefähr eine halbe Stunde zu kochen, geschält nach Wunsch zu zerkleinern und einzufrieren. Am längsten haltbar sind die Roten Rüben, wenn man sie vorbereitet wie Gewürzgurken sauer in Einkochgläser einlegt und im Backrohr pasteurisiert.

Nach sorgfältigem Waschen unter fließendem Wasser kocht man die Rüben mit den Wurzeln und den Blattansätzen ungefähr eine Stunde in Salzwasser, um das „Ausbluten“, den Verlust von Saft und Aroma, zu verhindern. Fertig gekocht schneidet man die Ansätze weg und die Rübe lässt sich leicht schälen.

Je nach persönlichem Geschmack bereitet man aus den Roten Rüben eine Suppe zu, füllt sie mit Frischkäse, Ziegenkäse oder serviert sie als Carpaccio mit Feta und Nüssen, macht daraus mit Feigen eine Füllung für einen Strudel, verwendet sie als Zutat für einen Flammkuchen oder ganz einfach für einen gemischten Salat zu Ente oder Forelle. Bekannt ist „Borschtsch“, diese ursprünglich aus der Ukraine stammende Suppe, für die es auch in den Nachbarländern verschiedenste Rezepte gibt.

Bei einem geringen Brennwert von 185 kJoule pro 100 Gramm enthalten diese Rüben Provitamin A, die Vitamine B1, B2, B6 und C sowie neben verschiedenen anderen Spurenelementen und Mineralstoffen reichlich Folsäure und Eisen. Bemerkenswert ist auch der hohe Anteil an sekundären Pflanzenwirkstoffen wie die roten Anthocyanen und der antioxidativ wirkende Farbstoff Betanin aus der Farbstoffgruppe der Betacyane, womit die Rübe in den Wintermonaten zu einem idealen Vitalstoffspender wird.

von Brigitte Mramor


Das könnte Sie auch interessieren