Kleine Frühaufsteher

Schneeglöckchen als frühe Bienenweide

Schneeglöckchen sind die Vorfrühlingsboten schlechthin. Sobald das neue Jahr begonnen hat, stehen sie in den Startlöchern, um zu wachsen und zu blühen. Obwohl jedermann das kleine Blümchen kennt, gibt es darüber Erstaunliches zu berichten.

 

Mitten in der kältesten Jahreszeit strecken die Schneeglöckchen ihre Blütenköpfe aus Eis und Schnee – so zart und hart zugleich, dass man sie einfach bewundern muss. Auf einen unverfrorenen Charakter weist schon der botanische Name unseres heimischen Schneeglöckchens (Galanthus nivalis) hin: Das griechische gala bedeutet Milch, anthos steht für Blüte und das lateinische nivalis für Schnee.

Einer Legende zufolge verdankt das Schneeglöckchen seine erstaunliche Widerstandskraft seinem Mitgefühl und seiner Großherzigkeit: Gott erschuf demnach den Schnee, ohne ihm eine Farbe zu geben, denn die sollte er sich selber suchen. Traurig fragte der Schnee all die prachtvoll blühenden Blumen, denen er auf seiner Suche begegnete, ob sie ihm nicht etwas von ihrer Farbe abgeben wollten. Doch sie wiesen ihn barsch ab. Nur das zierliche Schneeglöckchen hatte Mitleid und bot dem Schnee von seinem Weiß an – dem reinsten Weiß, das es in der Natur gibt. So bekam der Schnee doch noch eine Farbe und aus Dankbarkeit wurde der kleinen Zwiebelblume die besondere Ehre zuteil, im Schnee blühen zu dürfen.

Einen der ersten Blütendüfte des Jahres kann man erleben, wenn man trotz kaltem Boden auf die Knie geht, und seine Nase in die weißen Blütenbüschel taucht. Im zeitigen Frühjahr sind Insekten auf der Suche nach Nektar und Pollen auf die sehr frühen Blüher angewiesen. Dass das Alternativangebot an blühenden Pflanzen zu dieser Jahreszeit sehr gering ist, macht Schneeglöckchen zur wertvollen Bienenweide.

Kleine Blume, große Leidenschaft

Nicht nur in der freien Natur begeistern die kleinen Schönheiten, im Garten gelten sie sogar als neue Kultpflanzen. Die Auswahl ist groß, es gibt über 500 anerkannte Schneeglöckchen- Sorten, die auf etwa 20 Arten zurückgehen, darunter neben Galanthus nivalis zum Beispiel das Großblütige Schneeglöckchen (Galanathus elwesii) und das Clusius- Schneeglöckchen (Galanthus plicatus). Die Zahl der „Galanthophilen“ wächst, wie die Treffen von Schneeglöckchenfreunden und -züchtern beweisen. Die zarten Frühlingsblüher sind heute nicht nur in England, sondern in ganz Europa Sammelobjekte. Manche Sorten wechseln bei Auktionen um 150 Pfund, das entspricht etwa 165 Euro, den Besitzer. Es gibt private Sammler, die viele hundert Sorten kultivieren und Galanthusreisen, die einzig dem kleinen Blümchen gewidmet sind. Zum Einstieg in die Sammelleidenschaft eignet sich etwa die bereits seit 1731 kultivierte Sorte ‘Flore Pleno’ mit wunderschönen dicht gefüllten Blüten. Sie wurde 2018 von der britischen Royal Horticultural Society (RHS) mit dem „Award of Garden Merit“ für ihren besonderen Gartenwert ausgezeichnet und ist nicht nur besonders attraktiv, sondern auch robust. Die gleiche hohe Auszeichnung wurde auch der großblumigen Sorte ‘Sam Arnott’ zu teil, eine Schönheit mit wunderbarem Honigduft, die dank ihrem hohen Wuchs sehr gut für den Schnitt geeignet ist. Hoch im Kurs der Sammler stehen die seltenen gelben Blütenformen, Galanthus plicatus ‘Wendy’s Gold’ etwa trägt gelbe Markierungen auf den inneren Blütenblättern.

Schneeglöckchen (Galanthus nivalis)

Familie: Amaryllisgewächse (Amaryllidaceae)

Wuchsform: Zwiebelblume, mehrjährig

Blütezeit: Ende Jänner bis März

Blütenfarbe: reinweiß mit grün oder gelb

Wuchshöhe: je nach Sorte 10 bis 20 cm

Standort: lockerer, humoser Boden, zur Blüte eher feucht, danach trockener; sonnig (frühe Sorten) bis halbschattig

Verwendung: Am Gehölzrand; zwischen Sträuchern und später austreibenden Stauden; in der Wiese; in Kombination mit Krokus, Winterlingen und Sternhyazinthen

In den Garten holen

Schneeglöckchen sind in Auen und Laubwäldern zuhause und bevorzugen humose, feuchte Standorte im lichten Schatten von Gehölzen. Sie ziehen ein, wenn die austreibenden Blätter von Bäumen, Sträuchern und Stauden die Erde beschatten. Wo es ihnen gefällt, verwildern Schneeglöckchen rasch und breiten sich über Brutzwiebeln und Samen aus, vorausgesetzt, man lässt sie nach der Blüte ungestört, bis das Laub verwelkt ist. Der Schein trügt, denn auch wenn das Blümchen in großen Populationen vorkommt, steht es doch unter Naturschutz. Zwiebeln und Pflanzen dürfen nicht ausgegraben werden, sondern müssen über Gärtnereien bezogen werden. Auch in nicht zu trockenen Rasenflächen gedeihen Schneeglöckchen gut, dann darf man den Rasen aber erst nach dem Einziehen mähen. Die kleinen Zwiebeln der Schneeglöckchen sind, anders als z. B. Tulpenzwiebeln, nur durch eine dünne Haut geschützt und können deshalb nicht lange gelagert werden. Deshalb pflanzt man sie möglichst früh im Herbst, damit sie noch vor dem Winter Wurzeln bilden können. Damit sie gut zur Geltung kommen, setzt man sie am besten in Trupps oder streut sie locker mit der Hand aus und pflanzt sie da, wo sie hinfallen sechs bis zehn Zentimeter tief in die Erde. Schneeglöckchen sollte man generell nicht mit Kompost abdecken oder düngen, sonst gibt es lange Blätter mit nur wenigen Blüten. Größere Horste können unmittelbar nach der Blüte geteilt und umgepflanzt werden.

Text und Bilder von Elke Papouschek


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