Die Ruhephasen unserer Obstgehölze

Wer jetzt im Jänner die Blütenknospen der Obstbäume genau betrachtet, kann äußerlich noch keine sichtbaren Veränderungen feststellen. Im Inneren der Obst- gehölze aber geht in diesem Monat bereits die Hauptwinterruhe zu Ende.

Sie wird von der Nach- oder Zwangsruhe abgelöst. Diese verhindert, dass die Obstbäume schon bei kürzeren, wärmeren Phasen sofort austreiben. Steigen die Temperaturen bei ausreichender Wasser- und Nährstoffversorgung an, wie wir es bei den Marillenbäumen leider fast jährlich erleben, beginnen die Blütenknospen anzuschwellen. Dafür sind aber nicht nur die äußeren Einflüsse, sondern vor allem die inneren Abläufe in den Obstbäumen verantwortlich. Von den Obstbäumen gebildete Enzyme werden schon früh zu den Knospen transportiert, damit sie beim Austrieb zur Verfügung stehen.

Mit Beginn des Austriebes lenken dann die äußeren Faktoren und die Enzyme das Wachstum in den folgenden Monaten. Im Juni erfolgt dann bereits die Blüteninduktion, die notwendig ist, damit sich im Laufe dieses Jahres bis in das nächste Jahr hinein die Blütenknospen entwickeln können.

Je nach Vegetationsverlauf ist ungefähr Mitte Juli dann das vegetative Wachstum abgeschlossen. Die Länge der Triebe ist vom Alter der Bäume, einem kräftigen Schnitt und vom Fruchtbehang abhängig.

Mit Beendigung des Triebwachstums setzt aber nicht gleich die Winterruhe ein. Es beginnt die Vorruhe in den Obstbäumen, in der das Dickenwachstum der Triebe und die Holzknospenentwicklung abgeschlossen werden. Auch die Einlagerung von Reservestoffen erfolgt in diesem Zeitraum. Gäbe es diese Vorruhe nicht, könnte es zu Beginn des Winters zu einem abrupten Wachstumsstopp kommen, der an den Knospen, Trieben, Zweigen und Ästen massive Schäden verursachen würde. Die notwendige Frosthärte, die das Überleben der Obstbäume in unseren Breiten im Winter sichert, wäre ebenfalls nicht gegeben. Wichtig ist aber, dass die Vorruhe störungsfrei von äußeren und inneren Einflüssen ablaufen kann. Von außen können vor allem extreme Witterungsbedingungen diesen Ablauf aus dem Gleichgewicht bringen. So verursacht eine lang anhaltende Trockenheit einen Wachstumsstillstand, der zu Schäden an Trieben und Blättern führt. Durch starke Regenfälle und höhere Temperaturen kommt es oft zum Durchtreiben der Endknospen, wodurch an den Apfelbäumen die Johannistriebe entstehen. Die dort befindlichen Endknospen reifen dann nicht mehr aus und erfrieren im Winter.

Bei einem schweren Hagel werden die Früchte, aber auch die Blätter und Triebe geschädigt. Die Obstbäume treiben nochmals aus und beginnen zu blühen. Ähnlich ist die Entwicklung bei einem starken Schorfbefall auf den Blättern, die vorzeitig abfallen und nochmals austreiben.

Die Vorruhe kann im Sommer aber auch noch durch eine späte Stickstoffdüngung und nicht fachgerechte Schnittarbeiten unterbrochen werden. Beim Anschnitt der jungen Triebe treiben Knospen durch und verholzen bis zu Beginn des Winters nicht mehr.

Mit Beginn des Blattfalles ist die Phase der Winterruhe erreicht. Dabei werden Wuchs hemmende Substanzen angereichert, fördernde hingegen vermindert. Die Obstgehölze durchlaufen nun eine Entwicklung, die durch niedrige Temperaturen gekennzeichnet ist.

Für eine rasche Überwindung der Winterruhe ist der Temperaturbereich von 5° bis 7 °C maßgebend, wobei eine bestimmte Kältesumme erreicht werden muss, die nicht alleine von der Obstart, sondern sogar von der jeweiligen Obstsorte abhängig ist.

Dabei können sich wärmere Temperaturen im November unter Umständen schädlicher auf die Obstbäume auswirken, als Wärme am Ende der Winterruhe.
Interessant ist dabei, dass Obstbäume, die vor allem für sehr kalte Anbaugebiete geeignet sind und daher auch über eine hohe Frosthärte verfügen, für unsere Breiten vor allem bei wechselnden Temperaturbedingungen nicht geeignet sind, da sie schon früh ihre Frosthärte verlieren. Kommt es dann nochmals zu einem Kälteeinbruch, erfrieren die Knospen.

Andere Probleme gibt es in den wärmeren Anbaugebieten, wie wir sie auf der südlichen Halbkugel, in Chile, Argentinien, Brasilien, Südafrika oder Australien antreffen. Hier wird die erforderliche Kältesumme, die für einen zügigen Austrieb erforderlich ist, oft nicht ganz erreicht. Bei Apfelbäumen hat man dabei festgestellt, dass der Blühverlauf eine längere Zeit benötigt. Deshalb wird bei neuen Kreuzungen darauf Wert gelegt, Sorten mit einer kürzeren Winterkältesumme zu züchten.

Die drei Phasen Vor-, Winter- und Nachruhe sind voneinander aber nicht getrennt zu sehen. Es gibt Überlappungen, die einen kontinuierlichen Ablauf der vegetativen und generativen Entwicklung überhaupt erst möglich machen.

Text von Dipl. Ing. Peter Modl


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