Leben und Vielfalt im Boden

Was lebt im Boden? Die ersten Antworten darauf sind meist „Maulwürfe und Regenwürmer“. Aber lebt da unten eigentlich noch mehr? Ja, eindeutig!

In einem Fingerhut voll Erde gibt es mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Welt gibt, denn in einem Quadratmeter Boden leben auf 30 Zentimeter Bodentiefe rund 1,6 Billionen Lebewesen. Ein Garten ist also voller Leben. Bauen wir darauf ein Haus oder eine Straße, reduziert sich die Zahl von 1 600 000 000 000 in Kürze auf 0.

Bodenbeschaffenheit

Unser Boden besteht zu jeweils 50 % aus Feststoffen und Poren, die optimalerweise zur Hälfte mit Wasser und zur anderen Hälfte mit Luft gefüllt sind. Der Großteil der Feststoffe ist mineralisch – hierzu zählen Ton, Schluff, Sand oder Steine. Nur 5 % der Feststoffe sind organisch, haben also mit Leben zu tun. Dieses Leben besteht aus Humus, Pflanzenwurzeln, Bakterien, Pilzen, Algen, Regenwürmern, großen, mittelgroßen und kleinsten Lebewesen. All diese Komponenten spielen eng zusammen. Befahren wir den Boden bei Nässe, schwindet der Porenanteil. Folglich kann Wasser nicht mehr abfließen und Luft entweicht. Neben Hochwasser folgen sehr ungemütliche Zustände für die Bodenlebewesen, die genau wie wir Menschen Luft zum Atmen benötigen. Geht es ihnen gut, tun sie jedoch alles dafür, um den Boden fruchtbar zu machen.

Beispielsweise können Bakterien und Regenwürmer mit ihren Ausscheidungen den anorganischen Bodenanteil so verkleben, dass stabile Aggregate, die Ton-Humus-Komplexe, entstehen Darin kann Wasser langfristig gespeichert werden und in Trockenzeiten können Pflanzen mit Wasser versorgt werden. Außerdem fließt bei starken Regenereignissen die fruchtbare Erde am Acker oder im Gemüsegarten nicht davon und Nährstoffe werden nicht weggeschwemmt.

Regenwürmer

Nachts können wir beobachten, wie sich Regenwürmer beim Anblick eines Menschen sofort in die Erde zurückziehen. Was zurückbleibt sind säuberlich zusammengetragene Blätter, die rund um die Wurmröhren liegen und teilweise sogar hineingezogen wurden. Ohne Zähne muss der Regenwurm dafür sorgen, dass seine Nahrung vorverdaut wird. Das tut er mithilfe von Mikroorganismen. Beim Fressen wird auch der mineralische Anteil des Bodens, also Ton- oder Sandteilchen, mit aufgenommen. Sie werden im Darm mit den abgestorbenen Pflanzenresten und Bakterien verklebt und die Wurmlosung entsteht. Diese „Mini-Misthaufen“ sind stark mit Kalium, Phosphor, Magnesium und Kalk angereichert. Für hineinwachsende Wurzeln ist ein Regenwurmgang ein Paradies. Einerseits können sie ohne viel Widerstand schnell nach unten wachsen, andererseits finden sie auf ihrem Weg abwärts sehr viele Nährstoffe in der Wurmlosung.

Wurzeln

Übrigens zählen auch Pflanzenwurzeln zum Bodenleben. Ihre Aufgabe ist es, die Pflanze mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen und vor allem in den Wintermonaten als Speicherorgan zu dienen. Pflanzenwurzeln können unterirdisch viel größer sein als der oberirdisch ersichtliche Pflanzenteil. Sie bringen photosynthetisch gebundenen Kohlenstoff als Biomasse in den Boden und speichern ihn dort. Diese Biomasse dient als Kohlenstoffsenke, minimiert also aktiv das CO2 der Atmosphäre. Außerdem helfen Wurzeln dabei, den Boden zu lockern und Verdichtungen aufzubrechen. Wird über den Winter Gründüngung (Zwischenfrüchte) im Gemüsegarten angebaut, können mit Hilfe der Wurzeln die Humusbildung gefördert, die Wasserhaltefähigkeit erhöht und die Bodenlebewesen gefüttert werden. Vor allem Inkarnatklee, Sommerwicke, Phacelia, Sonnenblume oder Ölrettich sind sehr hilfreich, denn sie können über einen Meter tiefe Wurzeln ausbilden.

Bakterien und Pilze

Wurzeln verändern mit ihren Ausscheidungen die Umgebung und fördern damit die Besiedelung mit Mikroorganismen oder können antibiotische Stoffe gegen Pflanzenkrankheitserreger abgeben. Das alles passiert in der sogenannten Rhizosphäre, wo sie ebenfalls ganz besondere Symbiosen mit Bakterien und Pilzen eingehen. Rhizobien etwa sind Bakterien, die mit Leguminosen, also Hülsenfrüchtlern, kooperieren können. Sie nisten sich in eigens gebildeten Knöllchen an den Wurzeln ein und können dort aktiv Stickstoff aus der Luft in den Boden holen. Stickstoff ist mengenmäßig der wichtigste Nährstoff. Klingt trivial – ist jedoch hoch komplex. Wenn wir Menschen diesen Prozess nachbilden, nennt es sich Haber-Bosch-Verfahren. Dies ist die Herstellung von mineralischem Stickstoffdünger – nur unter großem Druckund Temperaturaufwand, also hohem Erdöleinsatz, kann Stickstoff aus der Luft geholt werden. Warum also kompliziert, wenn es auch einfach geht? Rotklee, Weißklee, Bohnen oder Erbsen im Garten anbauen, und schon wird die Erde gedüngt.

Neben Bakterien gibt es noch unzählige Pilze im Boden. Die sogenannten Mykorrhizapilze haben eine große Bedeutung, denn sie arbeiten mit Pflanzenwurzeln zusammen und bringen so Wasser und Nährstoffe aus großer Entfernung zu ihnen. Im Gegenzug werden die Pilze mit Kohlenhydraten versorgt. Kein Wunder also, dass über 90 % der Landpflanzen eine solche Symbiose eingehen. Ein anderes Beispiel: Um Holz abbauen zu können braucht es Braun- und Weißfäulepilze. Nicht auszudenken, welche Unmengen an Holz es auf unserer Erde gäbe, würden sie nicht existieren.

Kompost

Der Ab- und neue Aufbau von organischen Materialien gehört zu den Grundprinzipien jeder Kreislaufwirtschaft. Im Boden oder auf dem Komposthaufen gibt es viele kleine Lebewesen, die Nährstoffe wieder für Pflanzen verfügbar machen. Damit erzeugen sie unseren Dünger. Warum also den Grünschnitt mit Treibstoffaufwand wegfahren und Kompost zukaufen, wenn die Nährstoffe bereits im Garten sind? Sehr wichtige Tierchen bei der Kompostierung sind die Springschwänze. Sie fressen Löcher in die harten Pflanzenstängel damit die Mikroorganismen das Innere zersetzen können. Das Einzigartige an ihnen: mit ihrer Sprunggabel können sie sich in die Luft katapultieren und so, umgerechnet auf die menschliche Sprungkraft, über den Wiener Stephansdom springen. Mit permanentem Bodenbewuchs und Futter können wir unser Bodenleben fördern, wohingegen Fungizide, Herbizide oder Bakterizide „pilzabtötend“, „pflanzenabtötend“ und „bakterienabtötend“ wirken. Im Normalfall reicht die Vielfalt im Garten aus, um ein eigenes „Immunsystem“ aufzubauen und Krankheiten abzuwehren. Mit ein wenig Geschick können wir in jedem noch so kleinen Garten eine Unmenge an Leben fördern. Das schwarze Gold unter unseren Füßen hat seinen Namen also reichlich verdient.

von DI Lisa Doppelbauer, Bio Forschung Austria, Fotos: Dieter Haas, Lisa Doppelbauer

 

Der Artikel ist im Rahmen des Interreg Projektes SYM:BIO ATCZ234, welches durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung kofinanziert ist, entstanden.
Weitere Informationen zum Projekt: www.bioforschung.at/projects/symbio-at-cz/


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