Die Zypressen-Wolfsmilch ein bizarres Gewächs

Mit ihren zitronengelb leuchtenden Blütenständen ist die Zypressen-Wolfsmilch eine eindrucksvolle Pflanze, die in keinem zukunftsorientierten Garten fehlen darf.

Wuchs- und Lebensformen

Nicht nur die Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias) beeindruckt mit ihrer ungewöhnlichen Wuchsform, auch alle anderen über 2.000 Pflanzenarten der Gattung Euphorbia zeichnen sich durch eine sehr mannigfaltige Wuchs- und Lebensformen aus. Zu der fünftgrößten Pflanzengattung gehören nicht nur kleine krautige, sondern auch strauch- und baumförmige Pflanzen. Andere wiederum sind sukkulent oder sehen Kakteen zum Verwechseln ähnlich.

Die eigentümlich geformte Zypressen-Wolfsmilch bildet im Frühjahr zypressenartige Triebe mit feinen schmal-linealischen Blättern und endständigen Blütenständen aus. Interessant ist aber der merkwürdige Blütenaufbau, der den Wolfsmilchgewächsen ihren speziellen Charakter verleiht.

Im Laufe der Evolution hat sich die Bestäubungsart der Wolfsmilchgewächse mehrmals verändert. Die ursprünglich insektenbestäubten Blüten wurden zunächst auf ein Minimum reduziert und umfunktioniert, dass sie windbestäubt wurden. Erst später entwickelten sich wieder insektenbestäubte Pflanzen mit attraktiven Scheinblütenständen, indem die reduzierten Blüten gruppiert und die Hochblätter zu attraktiven Schauorganen umgeformt wurden. So entstanden die Scheinblüten, die aus einem Fruchtblatt, fünf Staubblättern und den einhüllenden leuchtend gelbgrünen Hochblättern bestehen. Durch die Anordnung vieler Scheinblüten zu einem doldenähnlichen Blütenstand entstand die für Insekten attraktive blütenähnliche Form.

Die nach Honig duftenden Scheibenblüten locken vor allem Schwebfliegen, aber auch andere Fliegen als Bestäuber an. Mit ihren kurzen Mundwerkzeugen können diese den leicht zugänglichen Nektar von den vier Kipferl-förmigen Nektardrüsen auflecken. Weitere Blütengäste sind Hummeln und Honigbienen, aber auch Ameisen mögen ihn.

Sind die feinwarzigen Kapselfrüchte der „Springwurz“ nach der Bestäubung herangereift, werden die Samen explosionsartig in die Umgebung geschleudert. Ameisen sammeln dann die Samen wegen ihren nahrhaften weißen Anhängseln auf und laben sich an dieser Nährstoffbombe. Der übriggebliebene Samen bleibt unbeachtet liegen und keimt bei günstigen Bedingungen.

Lage und Arten

Die prächtigen Gewächse trifft man in ganz Österreich, von den Tieflagen bis in mittelhohen Lagen an. Sie sind auf Mager- und Weiderasen, Wegrändern, Dämmen und in lichten Trockenwäldern zu finden. Vor allem auf trockenen, mageren Böden gedeihen sie besonders gut und breiten sich dort mit Hilfe ihrer Ausläufer teppichartig aus. Sie profitieren von den vom Klimawandel verursachten trockenen Frühjahren und sind somit eine super Wahl für den klimawandelangepassten Garten!

Die ausdauernde Zypressen-Wolfsmilch kommt gut in Steingärten und Magerbeeten, neben Kieswegen oder auf Dachbegrünungen zur Geltung. Ihre zitronengelben Blütenstände leuchten intensiver, wenn sie mit blau oder violett blühenden Nachbarn, wie Steppen-Salbei, Natternkopf oder Wegwarte kombiniert werden.

In Österreich sind 25 Arten der Gattung Euphorbia heimisch. Für unterschiedliche Standorte im Garten findet man immer eine passende Pflanze. Eine weitere Art, die trockene magere Standorte liebt, ist die Vielfarben- Wolfsmilch (Euphorbia polychroma). Diese ausdauernde Wolfsmilch überzeugt ab Mai mit ihren intensivgelben Scheinblüten und danach mit auffälligen roten Früchten. Auf feuchten Standorten pflanzt man besser die hochwüchsige Sumpf-Wolfsmilch (Euphorbia palustris), die mit ihrer roten Färbung ein echter Blickfang im Herbst ist. Für halbschattige Plätze eignet sich die Mandelblättrige Wolfsmilch (Euphorbia amygdaloides).

Pflege und Schaderreger

Bei der Pflege ist wichtig, dass man die einfach zu kultivierenden Pflanzen nicht im Herbst, sondern erst im Frühjahr zurückschneidet. Denn der Wolfsmilchschwärmer (Hyles euphorbiae) legt seine Eier ringförmig um den Stängel ab, in denen die bereits vollentwickelten winzigen Raupen den Winter geschützt durch die Eischale überstehen. Die im Frühjahr schlüpfenden Raupen stopfen sich mit den giftigen Pflanzenteilen der Wolfsmilchgewächse die Bäuche voll. Dabei nehmen sie die Giftmischung der Pflanze auf und werden so selbst ungenießbar für Fressfeinde. Mit ihrem knallig rot-gelb-schwarzen kontrastreichen Farbkleid wollen sie ihre Fressfeinde mit der Botschaft „Achtung, ich bin giftig“ abwehren. Zusätzlich ahmen sie einen gefährlichen roten Stachel als Abschreckung nach, welcher jedoch nur eine Attrappe ist.

Das Besondere am Wolfsmilchschwärmer ist, dass er es geschafft hat, sich an den Giftcocktail der Wolfsmilchgewächse anzupassen und dabei nicht selbst vergiftet zu werden, denn die toxischen Substanzen dienen der Pflanze eigentlich als Schutz vor Pflanzenfressern. Die Giftstoffe Euphorbon und Euphorbin sind vor allem im Milchsaft enthalten, welcher in eigenen Milchkammern im Pflanzengewebe produziert wird. Neben der Abwehr von Fressfeinden dient der weiße Milchsaft, der reichlich Kautschuk, Harz und Gummi enthält, als effektiver Wundverschluss.

Namensgebung und Besonderheit

Der ätzende Milchsaft hat den Wolfsmilchgewächsen auch ihren deutschen Namen verliehen. Denn ist bei einem Pflanzennamen das Wort „Wolf“ enthalten, deutet es schon auf die Giftigkeit der Pflanze hin. Kreativer sind die volkstümlichen Namen wie „Krötenmilch“, „Gretzenbleaml“ oder „Teufelsmilch“. Als „Warzenkraut“ wird es ebenfalls bezeichnet, da anscheinend der ätzende Milchsaft, mehrmals auf Warzen aufgetragen, deren Abheilen bewirkt. Im Mittelalter wurde die Zypressen-Wolfsmilch gerne als Abführ- und Brechreizmittel verwendet, wobei hiervon heutzutage stark abzuraten ist.

Manch einem aufmerksamen Beobachter fällt eine weitere Besonderheit auf. Neben den normalen zypressenförmigen Trieben gibt es auch sonderbar geformte Triebe. Die Zypressen-Wolfsmilch wird gerne von einem Rostpilz (Uromyces pisi) befallen. Sobald die Pflanze infiziert ist, wird der Stoffwechsel durch den Pilz so beeinflusst, dass die Pflanze keine Blüten mehr ausbilden kann. Stattdessen wachsen Scheinblütentriebe, die aus rosettenförmigen gelbgrünen Blättern bestehen, auf deren Unterseite der Pilz seine Sporen in einem süßen, nach Honig duftenden Nektar präsentiert. Angelockt durch den unwiderstehlichen Geruch fliegen Insekten diese Scheinblütentriebe an und verbreiten anschließend die Sporen des Pilzes. Ein sehr gefinkeltes System zur Verbreitung!

 

von Katharina Sandler MSc, Bio Forschung Austria

 

Der Artikel ist im Rahmen des Interreg Projektes SYM:BIO ATCZ234, welches durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung kofinanziert ist, entstanden.
Weitere Informationen zum Projekt: www.bioforschung.at/projects/symbio-at-cz/


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