Feriengedanken vom Redakteur der Verbandszeitschrift „Kleingärtner“

Damals, so um 1955, konnte Ihr Redakteur ja noch die gut neun Wochen Ferien im und um den elterlichen Garten am Rand der Großstadt genießen. Das war einerseits eine großartige Sache, schließlich war die Stadt den Donauauen im Norden Wiens noch lange nicht so nahe gekommen wie es jetzt der Fall ist, anderseits waren Ferien damals für uns Kinder auch dazu da, mit Kramperl und Heindl das Unkraut aus den Gemüsebeeten und Obstbaumscheiben zu entfernen. Eine zeitraubende Arbeit bei einem Garten der aus wenig Wiese, langen Birnspindel- und Apfelkordonreihen sowie jeder Menge einzelner Obstbäume und Beerensträucher sowie Gemüsebeeten bestand.

Gleich hinter unserem Garten gab‘s einen besseren Feldweg, Getreideäcker und ein eingezäuntes Stück Wildnis mit mächtigen Bäumen, das uns verboten war zu betreten. An dessen Zaun entlang führte ein Trampelpfad der dann, über eine kleine Böschung abwärts, zu einem kleinen Rest eines ehemaligen Donauarmes führte. Dieses Stück Wasser war für uns Kinder höchst interessant, weil es für Mutproben bestens geeignet war. Es war ja nicht gerade gefährlich, schließlich war der Teich je nach Wasserführung zwischen 50 Zentimeter und einem Meter dreißig tief.

Aber es gab dort Unmengen an Fröschen, Gelbbauch- und Rotbauchunken sowie sich endlos vermehrende Goldkarauschen, eine Karpfenart, die wohl jemand dort ausgesetzt hatte. Und im Teich gab es knietiefen Schlamm, Wasserpflanzen, Schilf, einige Teichmummeln und – Blutegel. Das war es, was eine Horde Buben brauchte. Die ultimative Mutprobe bestand darin, den Teich der Länge nach langsam zu durchqueren, um sich danach mit einem gekonnten Fingerschnippen die Egel von den Beinen zu entfernen.

Wer besonders cool war (das Wort cool fehlte damals in unserem Sprachschatz allerdings noch), der ließ die Egel an sich vollsaugen, was rund zwanzig Minuten dauerte, und tat so, als ob er die Schmerzen tapfer aber doch grimassierend ertragen würde. Das beeindruckte die anwesenden Mädchen, die zwischen Bewunderung und Ekel schwankten und natürlich nicht wussten, dass die Prozedur (bis auf den Biss, der mit der Berührung von Brennnesseln zu vergleichen ist) keine Schmerzen verursachte – wir bluteten in jedem Fall ausgesprochen schön.

Solche Sachen fallen mir ein, wenn ich, was oft genug vorkommt, in einer meinem Alter entsprechend langen Schaffenspause auf der Terrasse sitze und überlege, was denn in den nächsten Monaten so alles für unsere Zeitung geeignet wäre. Schließlich haben wir in unseren Kleingärten ja die Möglichkeit, unsere Kinder und Enkelkinder in und mit der Natur aufwachsen zu lassen. Es ist zwar nicht mehr die Natur und die Freiheit meiner Generation, aber immerhin ist es möglich, sie in unseren Gärten weitgehendst am Leben zu erhalten – die Kinder und die Natur - wie schon die äußerst positive Biodiversitätsstudie des Zentralverbandes zumindest für unsere Gärten bewiesen hat.

Übrigens besitzt Ihr Redakteur auch einen winzigen Gartenteich, ausgestattet mit ein wenig Schilf und sonstigen Wasserpflanzen, und mit immer wieder zuwandernden Fröschen und einigen Teichmolchen, deren Männchen prächtig gezeichnet sind. Ich sehe von der Terrasse aus im Sommer immer wieder die eine oder andere Libelle meinen Miniteich besuchen, wobei mir etwas Kurioses eingefallen ist. Wenn wir Buben in den Teich meiner Kindheit sprangen, fürchteten wir uns vor den in rauen Mengen und Arten herumschwirrenden farbenprächtigen Libellen, die angeblich – wenn sie „angreifend“ den Rücken berührten – tiefe Wunden hinterlassen sollten. Dabei kannte keiner von uns den jemals eingetretenen Fall einer derartigen Verletzung, was aber nur beweist, dass es schon seinerzeit Fake-News gab.

Schon lange ist dieser Landschaftsteil meiner Kindheit zugeschüttet, aufgeschüttet und mit Häusern verbaut. Was vormals Feldweg war, ist Asphalt, Gelbbauch- und Rotbauchunken sind heute ebenso auf der Liste der gefährden Tiere wie viele Libellenarten, und Ihr Redakteur würde sich heute, selbst aus medizinischen Gründen, nur mit Unbehagen einen Blutegel setzen lassen. Was allerdings geblieben ist, derzeit sogar zur Hochblüte gebracht wird, sind Fake-News.

Verrückte Welt, meint Ihr Redakteur!


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