Ein Loblied auf die Raupe

Viele Menschen freuen sich, wenn ein bunter Falter durch ihren Garten segelt, sich vielleicht sogar dort niederlässt, um ein wenig am Nektar von Sommerflieder, Zinnien oder Lavendel zu naschen. Immer mehr Menschen pflanzen deshalb auch ganz bewusst heimische, duftende Blütenpflanzen in ihrem Garten. Denn nur sie geben Bienen und Faltern mit ihrem süßen Nektar die selten gewordene Nahrungsgrundlage. Und das ist wichtig.

Schwalbenschwanzes
Raupe des Schwalbenschwanzes
Osterlutzeifalter
Eier des Osterlutzeifalters
Raupe des Osterlutzeifalters
Segelfalter
Raupe des Segelfalter

Angesichts des immer schnelleren Insektensterbens, frage ich, liebe Gärtnerinnen und Gärtner: Wohin führt dieser Trend, wenn wir dem Verschwinden des Lebendigen nicht langsam entschieden entgegenwirken? Wollen wir unseren Kindern wirklich eine Welt ohne bunte Schmetterlinge und Vogelgesang hinterlassen? Ich denke, das will niemand von uns, denn diese fliegenden Wesen bestäuben 70 Prozent unserer Nahrungspflanzen und zudem auch sonst das Meiste, was in der Natur blüht.

Stoppen wir also das Insektensterben, und zwar am besten sofort, nur dann bleibt uns die Vielfalt an Obst und Gemüsearten, die auf unsere Teller kommen und uns mit ihren Geschmackseindrücken glücklich machen, erhalten.

Was können wir als KleingartenbesitzerInnen tun, um in einer Welt der vielfach ausgeräumten und pestizidbehandelten Agrarlandschaften ohne Feldraine, Heckenund Ackerstreifen, einer Welt der artenarmen Fichten-, Pappel- oder Föhrenwälder, einer Welt der intensiven Weidewirtschaft mit überdüngten und bis zu sechs Mal im Jahr gemähten Wiesen einen Kontrapunkt zu setzen?

Die Antwort ist einfach. Wir können durchaus etwas erreichen, denn gemeinsam sind wir mit unseren Gärten mächtig! Allein in Wien gibt es mehr als 25.000 Kleingärten, deren Gestalter in der Summe ganz maßgeblich mitentscheiden können, wie lebendig und vielfältig unsere urbane Natur ist und bleibt.

Auf den eigenen Quadratmetern hat jeder von uns die Macht, ein Refugium zu schaffen für die Vielfalt und Schönheit und die Raffinesse von Lebensformen, denen anderswo der Raum zum Überleben sukzessive genommen wird. Im eigenen Garten stehen wir auch nicht unter dem Konkurrenzdruck der Forstund Landwirte, welche sich gegen den Import von Billigholz und Billiglebensmitteln behaupten müssen. Wir können Lebensraum schaffen für all die kleinen Wesen um uns herum, die auch unser Überleben und unsere Lebensqualität sichern.

Und die gute Nachricht ist: Dafür brauchen Schmetterling, Biene & Co. von uns zumeist eher weniger als mehr Einsatz im Garten, denn einfach einmal einen aufkeimenden Natternkopf oder eine Königskerze stehen und blühen lassen bringt oft mehr, als wir denken.

Eines gilt generell: Wo viele verschiedene Schmetterlinge fliegen, dort ist die Natur noch in Ordnung. Dort gibt es auch viele von den 700 Wildbienenarten, auf die Österreich zu Recht stolz ist, und auch viele hübsche Käferarten, von denen viele sich ebenfalls von Blüten ernähren.

Schmetterlinge fördern heißt auch Raupen fördern!

Wer also in seinem Garten bewusst die Schmetterlingsvielfalt fördert, der fördert zugleich viele andere wichtige Tierarten. Aber, um Schmetterlingen wirklich das Überleben zu sichern, braucht es mehr als Nektar für die Falter. Man muss dafür nämlich die gesamte Entwicklung von Schmetterlingen im Blickfeld haben. Und da kann es schnell kompliziert werden. Denn jedes Stadium im Leben eines Schmetterlings hat ganz spezifische Bedürfnisse an seine Umwelt. Ein Schmetterlingsweibchen legt zwischen 70 und 3.000 Eier und diese – einzeln oder grüppchenweise – nur auf ausgewiesene Futterpflanzen. Und Raupen sind beim Futter häufig wahre Spezialisten. Viele der schönsten Falter saugen von den verschiedensten Blüten Nektar, während ihre Raupen sich genau nur von einer Pflanzenart ernähren und ohne diese kläglich verhungern.

So fressen die Raupen von Tagpfauenauge, Admiral, Kleiner Fuchs oder vom zarten Landkärtchen praktisch ausschließlich Brennnesselblätter. Und schon ist eine Pflanze ausgemacht, die für die Förderung einiger der schönsten Tagfalter Österreichs essentiell ist. Wer aber glaubt, dass er mit einem halben Quadratmeter Brennnesseln in einem Schatteneck den Faltern geholfen hat, der irrt. Höchstens ein Admiral setzt dort ein einzelnes Ei ab. Die anderen drei Falterarten sind weit wählerischer. Da sie alle Eier gemeinsam ablegen und möglichst viele Raupen groß werden und ihren Hunger stillen können sollen, muss schon eine größere Fläche für die Eiablage zur Verfügung stehen.

Kleiner Fuchs und Tagpfauenauge mögen sonnige Ablageplätze, gerne in Hanglage und Gewässernähe, damit die Brennnesseln auch genügend Licht und Feuchtigkeit haben. Dabei wechseln die Ansprüche an den Eiablageplatz auch noch je nach Generation, von denen es bei diesen Faltern gleich drei im Jahr gibt. Im April kann es gar nicht sonnig genug sein, damit die schwache Frühlingsonne bestmöglich genutzt werden kann zum raschen Wachstum. Im Sommer ist hingegen das Feuchtigkeitsangebot wichtiger.

Nicht immer können wir das im eigenen Garten bieten, aber ein paar Quadratmeter nahe beim Komposthaufen oder in einem sonnigen Eck des nährstoffreichen Gemüsegartens können "ein gefundenes Fressen" sein. Im Juni geschnitten können sie die zweite Generation von Faltern wieder zur Eiablage verführen.

Wem Brennnesseln im Garten nicht ansehnlich genug sind, den kann man damit trösten, dass in unserer überdüngten Landschaft Brennnesseln zum Glück noch nicht selten sind, wenngleich geeignete Ablageflächen trotzdem nicht mehr allzu dicht gesät sind.

Für den eigenen Garten gibt es zudem genügend andere Pflanzen, welche seltenen und auch wunderschönen Faltern helfen. So legt der wunderschöne Schwalbenschwanz seine Eier als winzige, weiße Perlen gerne einzeln auf Fenchel, Karotte, Dille oder Petersilie ab. Seine bunt gekringelten Raupen sind keine Schädlinge im Gemüsegarten, von ein paar wenigen Karottenblätter abgesehen, die wohl jeder von uns gerne opfert für das Überleben eines so wunderbaren Falters.

Der elegante Segelfalter mit seinen langen Schwänzen bevorzugt hingegen kleine, sehr sonnig stehende Reineclauden oder Schlehen. Manchmal setzt er aber auch ein Ei auf einem Marillenbaum ab.

In Weinbaugebieten kann man mit einer Pflanze auch dem seltenen Osterluzeifalter helfen. Wie der Name des Falters schon verrät, frisst die Raupe nur die giftige Osterluzei. Die orangefarbene Raupe wird von der Pflanze selbst ungenießbar und präsentiert sich stolz in der leuchtenden Warnfarbe.

Mit Faulbaum und Kreuzdorn kann man dem wunderbaren Zitronenfalter eine Überlebenschance bieten. Seine Raupen sind einfach nur grün und gut getarnt.

Knoblauchrauke und Pfeilkraut helfen dem Aurorafalter, der im April fliegt und dessen Männchen an den orangefarbenen Flügelspitzen auf sonst weißem Untergrund gut zu erkennen sind.

Den Raupen des Distelfalters, der ja als Wanderfalter aus dem tiefsten Süden kommt, schmecken verschiedene Disteln, die Große Brennnessel, Kletten, Malven etc.

Der Schachbrett-Falter hat es etwas einfacher, seine Raupen sind auf verschiedene Gräser spezialisiert.

Das Taubenschwänzchen als Nachtfalter sucht für seine Raupen verschiedene Labkrautarten.

Seifenkraut ist eine wunderbare Nektarpflanze für nächtliche Schwärmer. Der Weinschwärmer liebt Weidenröschen und Springkraut, der Wolfsmilchschwärmer, trägt genauso wie der Winden-, der Linden-, der Kiefern-, der Pappel- oder der Ligusterschwärmer die Raupenfutterpflanze schon im Namen.

Darüber hinaus ist fast jede heimische Pflanze Futterpflanze für irgendeine der über 4.000 Falter- und damit auch Raupenarten in Österreich. Ungespritzte Obstgehölze wie Kirsche, Reineclaude, Apfel, Marille oder Dirndlstrauch (Kornelkirsche), aber auch Weißdorn, Liguster und Schlehe und Laubbäume wie Sal- und Trauerweiden, Birken, Buchen, Zitterpappeln, Kiefern helfen schönen Schmetterlingsraupen zu überleben.

Schön wäre es, wenn wir statt exotischen Thujen- und Kirschlorbeer-Hecken in unseren Kleingärten wieder mehr Liguster- und Salweiden-Hecken setzen würden. Erstere sind zwar ein beliebter Sichtschutz, aber für heimische Falter und Raupen mehr eine grüne Wüste, als Lebensraum.

Als Schädlinge im Garten treten zudem die wenigsten Arten auf, nur stechen uns diese leider bevorzugt ins Auge, wie z.B.: Eichenprozessionsspinner, Frostspanner, Buchsbaumzünsler oder auch Massenvermehrungen des Schwammspinners (die durch den Klimawandel in Deutschland gerade zum Problem werden), können ab einer bestimmten Menge dazu gehören.

Doch auch in diesem Fall, sollte man nicht vergessen, dass Raupen hochwertiges Vogelfutter sind und daher nicht sofort mit einem Spritzmittel auffahren! Und wenn, dann bitte nur mit einem biologischen, wie man sie in der Datenbank "Biologisch Gärtnern" findet (www.umweltberatung.at/biologisch-gaertnern- produktdatenbank).

Über alle vorher genannten, sollte man sich freuen, wenn man sie im Garten entdeckt. Es bedeutet, dass man einen wichtigen Beitrag leistet für die Zukunft unserer Kinder, die sich noch viel einfallen werden lassen müssen, um einmal vernichtete Wildbienen- und Schmetterlingsarten wieder anzusiedeln. Und was einmal (weltweit) ausgestorben ist, ist für unsere Kinder und alle weiteren Generationen für immer und ewig verloren. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein, wenn wir den eigenen Garten pflegen und gestalten. Wir haben es in der Hand, die Insektenvielfalt für die Zukunft unserer Kinder zu sichern. Machen wir etwas dafür und fürchten uns dabei auch nicht vor den unterschätzten Schönheiten, den Raupen!

Angebot von zwei Schmetterlings-Workshops im Wiener Donaupark

Angebot von zwei Schmetterlings-Workshops im Wiener Donaupark

Wer mehr über das Leben von Schmetterlingen erfahren möchte: Die Wiener Umweltanwaltschaft bietet dieses Jahr im Rahmen ihres erfolgreichen Schmetterlingsprojektes VANESSA speziell für Familien aus Wiener Kleingartenvereinen auf der Schmetterlingswiese im Wiener Donaupark zwei spannende Schmetterlingsworkshops an, und zwar am 2. und 8. Juni 2020 um 16 Uhr. Hier kann man einige der schönsten Falter und Raupen Österreichs einmal aus der Nähe bestaunen und wenn man will auch einmal auf die Hand nehmen. Und man kann mit den eigenen Kindern auf der artenreichen Schmetterlingswiese mit fachkundiger Begleitung selbst einmal auf Entdeckungsreise gehen und Schmetterlinge und andere schöne Insekten und Wassertiere bestimmen lernen. Anmeldung bitte unter: marion.jaros@wien.gv.at

Hintergrundinfos:

http://wua-wien.at/naturschutz-und-stadtoekologie/schmetterlinge-im-donaupark

https://www.zobodat.at/pdf/nat-land_2014_1_0026-0029.pdf

 

Text und Bild von von Marion Jaros, Wiener Umweltanwaltschaft

 


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