Bläuling und Marienkäfer auf Ackerkratzdistel

Der verschlungene Weg ins wilde Blumenparadies

Wie die Wiese begann Auch wenn wir umgangssprachlich alles Mögliche “Wiese“ nennen – von der Almweide bis zum Rasen - sind echte Wiesen tatsächlich zur Rarität geworden. Dabei war es erst der Mensch, der die Wiesen der Almen, Moore und Steppen in die Kulturlandschaft holte, als Futterquelle für das Weidevieh. Mit der Wiese hielt ein buntes Blütenparadies wunderbarer Vielfalt Einzug in die europäische Landschaft, inklusive einem faszinierenden Lebensraum mit unzähligen Klein- und Kleinstlebewesen. Im Unterschied zur Weide, wo die Tiere selbst grasen, ist die Wiese eine Fläche, die ursprünglich je nach Bodentyp ein bis dreimal im Jahr für die Heuernte gemäht wurde. Schließlich muss man das Vieh ja auch über den Winter bringen. Da damals kaum Kraftfutter zugefüttert wurde – schon gar kein Sojaschrot aus Brasilien – hatte ein Bauer nur so viel Weidevieh, wie er mit seinen Weiden und Wiesen auch durchbringen konnte. Der auf die Wiese ausgebrachte Dung war deshalb nur eine sinnvolle Rückführung von Nährstoffen, welche das Vieh zuvor von dort aufgenommen hatte. Es stellte sich ein Gleichgewicht ein. Diese Zeit ist leider vorbei. Das Hochleistungsvieh von heute benötigt ordentlich Kraftfutter. Der Bauer hält mehr Vieh pro eigener Fläche als früher und so kommt es zur Überdüngung der Wiesen und zu bis zu sechs Mahden im Jahr. Gräser verdrängten die Blumen und heute prägen saftig gelb-grüne Löwenzahnflächen das heimische Landschaftsbild. Optisch mögen sie dem anspruchsloseren Beobachter immer noch gefallen. Ein Hort der Vielfalt sind sie jedoch nicht mehr.

Die Kaiserin aller Wiesen – Der magere Trockenrasen

So sind die letzten noch extensiv genutzten Feucht-, Fett-, Salz- und insbesondere Magerwiesen tatsächlich die letzten Horte der österreichischen Artenvielfalt geworden. In Österreich sind erstaunliche vier von fünf Tierarten Insekten. Davon benötigen die allermeisten Offenland. Ihre Bestäubungsleistung erhält zugleich die Vielfalt an Wildblumen und Heilkräutern. Wer weiß schon, welch ungeahnte Schätze an Heilstoffen und anderen Diensten dieses bunte Netzwerk noch bergen könnte? Gerade auch in Zeiten von Erderhitzung und Ernteausfällen. Niemand kann es heute ganz ermessen.

Die Kaiserin der Artenvielfalt ist dabei der Trockenrasen als eine sehr nährstoffarme Fläche mit lückigem Boden. Von den Bodenbewohnern, über die Vegetarier und Jäger der Krautschicht, bis zu den tänzelnden Blütenbesuchern beherbergen sie abertausende Lebewesen. Nur als Beispiel, um es zu ermessen: Allein auf dem Hundsheimer Berg wurden ganze 1.200 verschiedene Schmetterlingsarten gezählt. Dabei gibt es in ganz Österreich insgesamt nur 4.000 Falterarten. Wie das möglich ist?

Ganz einfach. In einer Wiese, die aus zirka hundert Arten heimischer Gräser und Blütenpflanzen besteht, bietet beinahe jede einzelne Art mit ihren Wurzeln, Blättern, Pollen und Blüten den unterschiedlichsten Spezialisten und Generalisten die richtige, mitunter einzige Nahrungsquelle. Nur so entsteht das bunte Netzwerk, welches auch für das Überleben der menschlichen Zivilisation essentiell ist. Eine einzige Pflanzenart kann dabei allein bis zu 150 Schmetterlingsarten Eiablageplatz und/oder Nektarquelle sein. Wer diese „Superpflanzen“ kennt, kann übrigens auch mit wenigen Pflanzen im Garten viele Tierarten auf einmal fördern! Auf unser Wissen kommt es also vor allem an. Das Saatgut für Schmetterlingswiesen und Bienenweiden im Gartencenter ist leider oft nicht nach dem Geschmack der Insekten, sondern nach optischen Kriterien zusammengestellt, die wiederum vor allem uns ansprechen sollen. Nicht selten sind auch ortsfremde Arten dabei, die unseren Insekten kaum etwas bringen oder sogar schaden, weil sie wertvollere Arten verdrängen oder das Erbgut lokal angepasster Ökotypen verfälschen. Viele dieser Pflanzen sind nur einjährig oder mögen unseren Boden und unser Klima nicht. Und so ist die anfängliche Blütenpracht bald wieder fort.

Deshalb ist gekauftes Saatgut immer nur die zweitbeste Lösung, wenn man die letzten artenreichen Blumenwiesen durch die Vielfalt im eigenen Garten miteinander vernetzen möchte. Und das wäre ein wunderbarer und wichtiger Beitrag, damit diese letzten Horte der Vielfalt nicht bei der nächsten Dürre oder Überschwemmung oder durch langjährige Inzucht zugrunde gehen, sondern stets neu besiedelt werden können.

Einige Expert*innen raten deshalb zum Nichtstun, z. B. seltener zu mähen. Das klingt einfach und jeder kann es zumindest einmal versuchen. Vielleicht hat man wirklich Glück und es kommen einige wertvolle Pflanzen auf, die sich selbst weiter vermehren zu einem Blütenmeer. Häufig „erntet“ man aber nach Gänseblümchen und Löwenzahn nur lange Grashalme oder Neophyten wie Goldrute, Berufskraut oder das Allergie auslösende Ragweed. Die Wahrheit ist: Heute ist das Ergebnis des Nichtstuns meist traurig. Erstens, weil im Rasensaatgut oder Rollrasen häufig dominante Spezialgräser enthalten sind, die Blumen erst gar nicht aufkommen lassen. Und zweitens, weil die wertvollsten Wildblumen und Gräser eher dort gedeihen, wo der Boden mager ist. Unsere Böden sind aber fast alle überdüngt. Bei dem, was ich schreibe, spreche ich leider aus Erfahrung, sowohl privat im eigenen Garten als auch beruflich auf der von mir initiierten Schmetterlingswiese im Wiener Donaupark. Im Garten war einmal mähen zu wenig. Schnell wuchs die Wiese mit Brombeeren und Brennnesseln zu. Im Donaupark erlebten wir Saisonen mit fast einem Hektar voller Kugeldisteln, die zwar eine gute Nektarquelle sind, aber von Vielfalt auch ziemlich weit entfernt. Und dann noch traurigere Jahre mit sehr geringem Nektarangebot, bis wir schließlich konsequenter Mähgut entfernten, Teile abmagerten und beim Saatgut nur mehr auf Arten setzten, die vor Ort tatsächlich gut gedeihen. Diese breiteten sich dann rasch über die ganze Wiese aus.

Individuelle Geheimstatt Patentrezepte

Einfache Patentrezepte, wie es mit der ökologisch wertvollen Blütenpracht klappt, gibt es nicht. Denn Bodenqualität und Klima sind entscheidend und sie sind überall anders. Dennoch konnte meine Familie im eigenen Garten inzwischen an die 60 Tagfalterarten dokumentieren. Und die Schmetterlingswiese im Donaupark beherbergt gut 45 Tagfalter- und über hundert Wildbienenarten. Darunter sogar Wiener Erstfunde, worauf wir in der Wiener Umweltanwaltschaft sehr stolz sind.

Eines sieht man dabei gleich: Wer erfolgreich heimische Schönheiten fördern möchte, der begibt sich auf eine individuelle Abenteuerreise. Man kann diese Reise aber auch einmal klein, mit zwei bis fünf Quadratmetern, beginnen und sich dann langsam vortasten.

Die Beobachtung der kleinen neuen Gartenbesucher kann schnell Lust auf weitere Experimente machen. Die beigefügten Fotos sollen Ihnen einen kleinen Vorgeschmack geben. Über das eine oder andere von Ihnen würde ich mich herzlich freuen!

Wer tapfer bis hierher gelesen hat, um dabei zur Überzeugung zu kommen, dass das alles nichts für ihn/sie ist, hat noch eine ganz andere Möglichkeit, etwas Wertvolles zu tun: Nämlich eine der vielen Naturschutzorganisationen finanziell unterstützen, z. B. beim Ankauf und der Pflege von wertvollen Flächen, bevor auch diese letzten Refugien dem Diktat des Marktes zum Opfer fallen. Unsere Kinder werden es uns eines Tages danken.

„Geheimrezepte“ als Weg zum Erfolg:

  1. Pflanzen und Insekten bestimmen. Einfache Handyfotos von Wildblumen und Insekten rund um ihren Garten zu bestimmen, erhöht schnell und lustvoll das eigene Wissen. Facebook-Gruppen oder Apps wie „iNaturalist“ eigenen sich dazu, aber auch das gute alte Pflanzenbestimmungsbuch.
     
  2. Auswahl der für meine Gegend wertvollsten insektenfördernden Wiesenpflanzen. Dabei helfen die Links am Ende des Artikels. Vorne mit dabei waren bei mir Witwen-, Glockenund Flockenblumen, Gewöhnlicher und Wasser-Dost, Horn- und Rotklee, Kronwicke, Natternkopf, Königskerzen, Karthäuser-Nelken, Kren, Weg- und Kugeldisteln, Leimkraut, Ampfer, Alant, Thymian, Wiesen- und Steppensalbei, Wiesenkerbel, Heilwurz, Wilde Möhre, Malve, Fetthenne, und die Brennnessel als essentielle Raupenfutterpflanze.
     
  3. Samen ausgewählter Pflanzen von Wegrändern sammeln oder beim REWISA-Netzwerk einkaufen.
     
  4. Entfernung der Grasnarbe auf kleinen sonnigen und schattigeren Flächen, wo bisher fast nur Gras wuchs. Am besten im August, um den Boden erstmal austrocknen zu lassen, damit auskeimende Neophyten verdorren. Im Spätherbst eine mit Sand gestreckte Samenmischung ausbringen und am besten mit etwas Mähgut von wertvollen Flächen aus der Umgebung abdecken, sodass noch etwas Licht durchdringt. Im Frühling feuchthalten, bis die Pflanzen gut ausgetrieben haben. Neophyten und andere unerwünschte Pflanzen ausreißen, bevor sie wieder aussamen.
     
  5. Ende Juni und Ende September jeweils circa 70% mit einem kleinen Balkenmäher (oder einer Sense) mähen und das Mähgut entfernen. Auf den ungemähten Halmen können Schmetterlingseier & Co überwintern. Wenn manche Flächen sehr nährstoffreich sind, ruhig auch dreimal jährlich mähen und das Mähgut entfernen. Ein Teil des Mähguts kann auch auf den Kompost geworfen werden, um daneben durch Stickstoff-Reichtum Brennnesseln zu fördern.
     
  6. Kleiner Tipp: Böschungen sind leichter artenreich zu gestalten. Auf ebenen Flächen kann auch etwas Kies ausgebracht werden, um den Boden weiter abzumagern.
     
  7. Anlegen von kleinen Biotopen zum Trinken und zur Entwicklung von Insekten. September

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