Belohnung bis Täuschung - Lockstrategien der Blütenpflanzen

Blüten sind die leuchtenden und attraktiven „Werbeschilder“ der Pflanzen. Mit verschiedensten Lockmitteln wie betörenden Düften, unübersehbaren Farbkombinationen, Wärmeerzeugung oder einem reichlichen Nahrungsangebot versuchen Pflanzen, Insekten in ihren Bann zu ziehen.

 

Oft wartet eine vielversprechende Belohnung in Form von Nektar, Pollen, Harz oder Öl auf die angelockten Tiere. Manchmal aber auch nicht! Denn einige Pflanzen sind sehr raffiniert und täuschen mit Blütenmalen, Düften oder Behaarung Angebote vor, die es gar nicht gibt.

Blüten bestehen meist aus äußeren schützenden Kelchblättern, gefolgt von innenliegenden auffälligen Blütenblättern, die wiederum die männlichen Staubbeutel und die weiblichen Fruchtknoten umgeben. Um unverwechselbar und unübersehbar für den Hauptbestäuber zu sein, sind die Blütenorgane je nach Pflanzenart unterschiedlich geformt und gefärbt und variieren in ihrer Zahl. So gibt es neben radiärsymmetrischen Blüten wie Gänseblümchen, Wiesen-Witwenblumen oder Glockenblumen auch spiegelsymmetrische Blüten mit nur einer Symmetrieebene, wie die von Lippen- und Schmetterlingsblütlern wie Salbei oder Ginster.

Vor allem die Farbe der Blüten bietet einen großen Anreiz für die meisten Bestäuber. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass die Blütenfarbe auf das Farbsehen der Tiere abgestimmt ist. Um Blüten noch kontrastreicher und attraktiver zu machen, setzen einige Pflanzen sogar auf Blütenmale. Diese sind Farbmarkierungen auf den Kronblättern, die einerseits die Blüte auffälliger gestalten und andererseits den Bestäubern den Weg zum Nektar weisen. Ein weiterer genialer Trick, um die Bestäubung zu optimieren, ist die Änderung der Blütenfarbe. So zeigt das Echte Lungenkraut mit einem Farbwechsel von Blau zu Purpur an, dass seine Blüten bereits bestäubt wurden. Auch die Rosskastanie ändert ihre Farbe von Gelb zu Rot, sobald ein Tierbesuch geglückt ist. Duftstoffe sind das perfekte Fernlockmittel. Je nach Insektenart variiert der Duft und er wird so lange ausgeschieden, bis die Blüte befruchtet wurde. So beeindrucken Blüten mit süßlichem, vanilleartigem Duft die Tagfalter, während urin- und aasartige Düfte für Käfer und Fliegen unwiderstehlich sind.

Schon seit der Urblüte wird der Pollen gerne von Blütengästen verzehrt. Da er aber in der Produktion teuer ist und für die Bestäubung benötigt wird, entwickelten Pflanzen andere Lockmittel, wie zum Beispiel den zuckerreichen Nektar. Dieser wird auf Nachfrage in den Nektarien ausgeschieden und dient den Bestäubern als kraftbringende Energiequelle. Je nach Hauptbestäuber variiert die Zusammensetzung aus verschiedenen Zuckern, die oft auch mit anderen Stoffen wie Aminosäuren angereichert ist.

Viele Wege führen in die Blüte

Nicht nur Blüten passten sich an ihre Bestäuber an, auch die Bestäuber entwickelten im Laufe der gemeinsamen Evolution Anpassungen an ihre Pflanze, um die begehrten Blütenprodukte erreichen zu können. Diese Anpassungen finden sich heute nicht nur an den Mundwerkzeugen der Tiere, sondern auch an ihrer Behaarung, der Art und Weise, wie sie Farben wahrnehmen, und ihrem Verhalten (z. B.: Buzzing). Besonders auffällig sind die vielen unterschiedlichen Formen der Mundwerkzeuge bestäubender Insekten. So entwickelten die allerersten Bestäuber – die Käfer – kräftige Kiefer, um die Blüte zu zerbeißen und den festen Pollen kauen zu können. Bienen und Schmetterlinge wiederum besitzen unterschiedlich lange, an die Blütentiefe ihre Pflanze angepasste Rüssel, um den süßen Nektar saugen zu können.

Auch das Farbsehen der Insekten stellt eine Anpassung an die jeweilige Pflanze dar. So können die Komplexaugen – eine Zusammensetzung aus vielen Einzelaugen – der unterschiedlichen Insektengruppen Farben verschieden wahrnehmen. Somit sind verschiedene Farben auch unterschiedlich stark attraktiv für die jeweiligen Bestäuber. Bienen zum Beispiel können UV-Male auf den Blüten sehen. Diese befinden sich auf den Blütenblättern und weisen in Form von Flecken, Streifen, Tupfen etc. den Weg zum Nektar. Auch Tagfalter sehen Farbnuancen sehr gut und die Augen der Nachtfalter sind höchst lichtempfindlich. Vor allem reflektierende Farben wie Weiß, Gelb oder Blasspurpur werden schnell von ihnen erkannt.

Beispiel: Vibrationsbestäubung

Um an den Pollen von Schneeglöckchen, Heidelbeeren oder Tomatenpflanzen zu gelangen, nutzen Hummeln die Vibrationsbestäubung. Da sich der Pollen bei diesen Pflanzen meist in fest verschlossenen Staubbeuteln befindet, ist es für Insekten schwierig, an diesen heranzukommen – für die meisten ist es sogar unmöglich. Doch Bienen, vor allem Hummeln, haben sich für solche Fälle eine ganz spezielle Taktik angeeignet.

Sie ergreifen mithilfe ihrer Mundwerkzeuge oder ihrer Beine die Blüte und beginnen mit ihrer Brustmuskulatur in einer ganz bestimmten, zur Pflanze passenden Frequenz zu vibrieren. Dieses Verhalten wird „Buzzing“ genannt. Durch die Vibrationen öffnen sich die Staubbeutel und der feine pulvrige Blütenstaub rieselt auf das Haarkleid der Biene herab. Diese kann ihn anschließend zur nächsten Blüte weitertragen.

Auszug aus der Broschüre
„Pflanzen und ihre Gäste“, Interreg Projekt Sym:Bio, Bio Forschung Austria

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