Juligedanken Ihres Redakteurs

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Corona-Sommer ist auch ein wenig dazu da, sich vermehrt Gedanken über seinen Garten zu machen. Zum Beispiel, dass so ein Garten fast immer etwas anderes wachsen lassen will, als unsereins möchte. Das sieht man dort, wo bei einem Garten, warum auch immer, vom Besitzer monatelang nicht „ordnend“ eingegriffen wurde, wo keine sanfte Gewalt dafür sorgt, dass die Natur sich dem Gärtner unterordnet. Wir bringen ja unser Stück Erde dazu, etwas zu tun, was die Natur sicher so nicht tun würde – und sei es in unseren Augen noch so schön. Binnen Monaten wird daher aus einem „gepflegten Garten“ in der Stadt in einer konzertierten Rückholaktion der Natur ein Stück schöne Wildnis mit überbordenden Sträuchern und Brombeerhecke, mit allerlei anderem dornigen Zeugs wie Disteln und den Weg überwucherndem Gestrüpp.

Warum das so ist? Weil wir unserem Garten eigentlich Gewalt antun! Ihr Redakteur zum Beispiel berauscht sich nebst heimischen Pflanzen auch an mediterranen Gewächsen wie einem Olivenbaum, mehreren Feigenbäumen, an Lavendel und sogar an Bananenstauden. Und alles wächst und gedeiht im Überfluss, aber wohl auch nur deswegen, weil ich Unmengen an Sand und Kies, Tonscherben und sonstigen Hilfsmitteln zur „Verbesserung“ der Erde eingebracht habe, und sorgsam mein Kleinklima im Garten durch die „richtigen“ Standorte von Haus und Hecken und Tuffsteinmauern in die gewünschte Richtung geleitet habe.

Denn da, wo meiner und vieler anderer Garten ist, war vor Zeiten Auen-Schwemmland, Äonen später hat sich Napoleon mit den unsrigen darauf herumgeschlagen und dann standen noch vor 50 Jahren im Sommer wogende Weizenhalme mit Klatschmohn und Kornblumen in der Hitze der Sonne. Die jetzt asphaltierten und beleuchteten Straßen waren Feldwege, wo sich aus regenfeuchter lehmiger Erde die Schwalben Baumaterial für ihre Nester holten. Und an den Wegrändern standen an einigen Stellen Holundersträucher und ab und an eine Akazie.

Was Wunder also, wenn sich die Natur binnen Monaten mein Stück Erde zurückholen würde, sollte ich es zulassen. Was würde an Gewächsen plötzlich zuwachsen, und was würde mehr oder weniger rasch vergehen? Vermutlich würde sich mein Dirndlstrauch ebenso rasant ausbreiten wie meine Felsenbirne, aber vor allem der Schwarze Holunder würde das Terrain erobern, dazu käme bald der Ackerschachtelhalm (er versucht‘s ja jetzt schon immer wieder), diverse Kleesorten, auf Sicht wohl die eine oder andere Königskerze, vielleicht ein Sanddorn oder eine Hundsrose, Schlehdorn oder Weißdorn sicher, und natürlich der breitblättrige und der kriechende Thymian. Beinwell, Brennnessel und Giersch, Kletten und Wilde Karde hielten wohl genauso Einzug wie Lampionblume und Huflattich – und da gäb’s noch einiges, was möglich wäre.

Vielleicht haben Sie in den kommenden Wochen einmal ein Stündchen auf der Terrasse Ihres Gartens, wo Sie sich vorstellen könnten, was bei Ihnen, standorttreu und über hunderte Jahre angepasst, Ihren Garten erobern könnte. Und vielleicht finden Sie die eine oder andere Pflanze hübsch genug, um sie in Ihre grüne Oase zu integrieren,

meint Ihr Redakteur.


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