Die Maronibrater verwöhnen uns wieder
Esskastanie, Maroni, Kaesten
Sie sind in Wien schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Tiroler Wanderhändler hatten die „Käschtn“ aus ihrer Heimat mitgebracht.
Da der Edelkastanienbaum seit der Antike im Mittelmeerraum wächst, lässt sich seine Herkunft und das natürliche Verbreitungsgebiet nicht mehr genau feststellen. Es wird vermutet, dass es sich um die drei Regionen mit festgestelltem einheitlichem Genpool handelt: Nordost-Türkei, türkische Mittelmeerküste und Griechenland. Diese genetischen Untersuchungen veranlassen zur Annahme, dass die meisten europäischen Bestände der letzten 2000 Jahre aus kleinasiatischen Pflanzen stammen. In der griechischen Antike wurde die Edelkastanie bereits kultiviert.
Die Römer verbreiteten sowohl Nüsse als auch Kastanien vermutlich bereits um 200 n.Chr. im gesamten römischen Reich bis nach Britannien, gleichzeitig auch in der Region Mittelburgenland, durch das die römische Bernsteinstraße – ein wichtiger Reise- und Handelsweg – führte. Aber auch in klimatisch bevorzugten Zonen, wie im Hügelland der südlichen Steiermark, wurden zu dieser Zeit Nuss- und Kastanienbäume gepflanzt. Verwendet wurden neben der Maroni und dem Holz in der Volksmedizin die Rinde, Blätter und Blüten.
Aufgrund der Landgüterverordnung von Karl dem Großen (747 bis 814 n.Chr.) im Jahr 802 mussten weitere Bäume gepflanzt werden, sodass die in dieser Zeit als Urbarmacher und Bauern geltenden Zisterzienser weitere Anpflanzungen veranlassten. Aufgrund der besonders nährstoffreichen Böden und des für diese Früchte idealen pannonischen Klimas entwickelten sich zahlreiche Walnussund Edelkastaniensorten. Dermaßen gefördert war die Edelkastanie vom Mittelalter bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Bergregionen von Südeuropa ein Hauptnahrungsmittel. Die systematische Baumzucht geht auf das frühe 19. Jahrhundert zurück, sodass heute bis zu 350 Jahre alte Kastanienund Nussbäume das Landschaftsbild prägen.
Initiativen für die Edelkastanie
Lange Zeit waren Maroni eine Art sättigendes Grundnahrungsmittel, aus dem Mehl und Brot hergestellt wurde. Auch heute noch wird das mehrfach gemahlene, glutenfreie Mehl aus getrockneten Kastanien für die Herstellung von Gebäck, Nudeln etc. gemahlen.
2006 wurde der Verein D'Kaestnklauba mit dem Ziel gegründet, die Edelkastanie zu erhalten und durch Produktentwicklung und -vermarktung zu fördern. Die Mitglieder des Vereins entwickeln laufend neue Produkte, sei es – inzwischen prämiertes – Bier, Schokolade oder tiefgekühlte Kastanienspeisen wie Suppe oder Kroketten.
Mit der Genuss-Region "Mittelburgenländische Kaesten und Nuss" wird bei der touristischen Erschließung der Region und dem ganzjährigen Angebot an Kastanienprodukten kooperiert. Zur Bekämpfung des Kastanienrindenkrebses und zur Erweiterung des Baumbestandes und der Holznutzung arbeitet der Verein mit dem Naturschutzbund zusammen. Am Nationalfeiertag findet alljährlich am Klostergelände von Klostermarienberg das Kastanienfest statt, bei dem man alle aus der Maroni zubereiteten Köstlichkeiten verkosten und mit nach Hause nehmen kann.
In Italien ist das Mehl Zutat für Polenta, Pasta und Gnocchi sowie in Form von Flocken fürs Müsli. Zu den französischen Spezialitäten zählen "Marons glaces" (kandierte und glasierte Bruchmaronen) und "Mont blanc" (Kastanienpüree mit Weinbrand schaumig gerührt und mit Schlagobers serviert).
In Südtirol kommen "Keschtn" beim traditionellen Törggelen in den Buschenschänken nach einer rustikalen Jause als Köstlichkeit mit Butter und "Suse" (Most) auf den Tisch. In Frankreich und in Italien wird daraus Likör hergestellt; auf Korsika und in der Schweiz Bier. Lange Tradition hat in Spanien, Süditalien und auf Korsika die Mast der Schweine mit Kastanien, aus deren Fleisch spezielle Schinken- und Salamisorten hergestellt werden. Ein nennenswertes Nebenprodukt in traditionell bewirtschafteten Gebieten ist der bernsteinfarbene, aromatische Honig.
In der Volksmedizin werden die Blätter des Kastanienbaumes bei Husten, zur Wundbehandlung und bei Durchfall eingesetzt. Die Ordensfrau Hildegard von Bingen (1098- 1179) hat die Edelkastanie als Heilmittel zur Stärkung der Organe, der Nerven und des Gemüts beschrieben.
Anbau in Österreich und in der Welt
Die Kaestenklauba durchstreifen im Herbst ein riesiges Gebiet beim Günser Gebirge, zwischen Klostermarienberg, Liebing und Ungarn – im Volksmund auch "goldenes Dreieck" genannt – um die Maroni einzusammeln. In einem hinsichtlich Vegetation normalen Jahr können ungefähr sieben Tonnen Maroni gesammelt und verarbeitet werden. Viele Hände helfen mit, um die Maroni essbar bzw. haltbar zu machen.
Die heimische Ernte kann den Inlandsbedarf nicht decken. Daher werden Maroni aus Italien (Südtirol), und – seltener – aus der Türkei importiert. Zu den wichtigen europäischen Anbauländern zählen darüber hinaus Spanien und Portugal. Weltgrößter Kastanienproduzent ist China mit fast zwei Millionen Tonnen, gefolgt von Bolivien, der Türkei, Südkorea und Italien. Diese Länder produzieren jährlich an die 2,4 Millionen Tonnen Esskastanien.
Meistens werden die Esskastanien als Maroni verkauft, denn dieser Ausdruck ist bei uns umgangssprachlich am geläufigsten. In anderen Ländern werden sie auch als Maronen (französisch "marron") bezeichnet, in Südtirol als Keschtn und als Marroni in der Schweiz. Oft wird das Wort Maroni nur für bestimmte Sorten verwendet. Davon gibt es mehrere hundert, von denen die meisten jedoch an das regionale Klima angepasst sind, wie z.B. in Frankreich, wo mehr als 700 Sorten registriert sind. Die Vermehrung erfolgt überwiegend durch Aufpfropfen. In Europa werden auch Hybriden aus der Edelkastanie und der Japanischen Kastanie angebaut, weil sie gegen Kastanienrindenkrebs resistenter sind.
Maroni sind keine Kastanien
Edelkastanien (Castanea sativa) gehören zur Familie der Buchengewächse (Fagaceae); sind daher nicht mit der ungenießbaren Rosskastanie verwandt. Europäische Edelkastanien werden auch Maroni genannt, weil sie herzförmig sind, mit flacher, dreieckiger Unterseite und kleiner als die einseitig abgeflachten Edelkastanien, dafür aber schmackhafter. Die rotbraune Schale weist dunkle Streifen auf und lässt sich gut schälen. In der Fruchtschale sitzen Maroni immer zu zweit - im Gegensatz zur Edelkastanie, bei der sich mehrere in einer Schale befinden.
Der Baum blüht mit länglichen Kätzchen, die nach frischem Brot riechen. Deswegen und wegen des hohen Anteils an Stärke und Kohlenhydraten nennen sie die Franzosen "pain de la foret" (Brot des Waldes). Zwischen September und Dezember platzen die stacheligen Samenbehälter und geben die Früchte frei. Grundsätzlich werden nur die reif heruntergefallenen Maroni von Hand gesammelt und seit jeher von den Bauern händisch aus der Schale gelöst. Inzwischen wurde eine Schälmaschine entwickelt und mehrere Methoden, um die Maroni möglichst lang lagern zu können. Werden sie zum Beispiel mit einer Warm- oder Kaltwassermethode behandelt, können sie für ungefähr zwei Monate im Kühlhaus gelagert werden. In der Region werden sie auch gerieben als Mehl und püriert und tiefgekühlt angeboten. In den lokalen Bäckereien und Konditoreien erzeugt, findet man auf Bauernmärkten und im Lebensmittelhandel bis in den Dezember hinein frisch zubereitete Spezialitäten. Die übrige Vermarktung erfolgt über den Verein Mittelburgenländische Kaesten und Nuss. Maroni genießen Man kann Maroni braten, trocknen, kochen, pürieren, glasieren, kandieren und konservieren. Durch den Koch- oder Röstprozess kommt es zur Verzuckerung der Stärke. Die Maroni schmecken dann süß, sind weich, schmackhaft und nährstoffreich. Sie sind reich an Mineralien und Spurenelementen und enthalten weniger Fett und Eiweiß als Nüsse.
Zum Rösten schneidet man die harte Schale mit der darunterliegenden braunen Haut auf der gewölbten Seite ein und röstet sie im Backrohr neben einem Gefäß mit Wasser ungefähr 20 Minuten.
Unsere Gaumen erfreuen Maroni traditionell als Füllung von gebratenen Gänsen und Enten und zu Wildgerichten mit Rotkraut, aber natürlich auch ganzjährig in Form von köstlichen Cremen, im Eis und in Desserts.
Wer sich die Maroni lieber im Papierstanitzel überreichen lässt weiß, wo der nächste Stand eines Maronibraters ist!
von Brigitte Mramor